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Der europäische CO₂ -Markt zeigt sich widerstandsfähig
Covid-19 stellt alles auf die Probe – auch die Reform des EU-Emissionshandel. Sie scheint sich zu bewähren

Mit einem solchen Härtetest für das Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU-ETS) hätte wohl niemand so schnell gerechnet. Von rund 25 Euro im Januar ist der Preis für ein Emissionszertifikat, kurz EUA, (EU carbon emission allowance), auf 15,24 Euro Mitte März gestürzt – ein Kursverlust von 37 Prozent. Doch bereits Anfang April stieg er wieder auf über 21 Euro.

Preise für Emissionszertifikate im EU-ETS in 2020 (€/mt)

Der rasche Preisverfall spiegelte die gesunkene Stromnachfrage, vor allem in Gewerbe und Industrie wieder, in der Folge der globalen Regierungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Der Rückgang des Verkehrs hat zudem die Nachfrage nach Kraftstoffen gesenkt, weshalb auch die Raffinerien gedrosselt wurden, die neben fossilbefeuerten Kraftwerken zu den Hauptnachfragern von EU-ETS-Zertifikaten gehören.

Der rasche Wiederanstieg lässt jedoch darauf schließen, dass das EU-ETS deutlich resilienter gegen einen solchen Nachfrageschock ist als früher.

Lehrgeld gut angelegt

Zwischen 2009 und 218 lag der EUA-Preis so niedrig, dass Kritiker anführten, er sei kaum geeignet, die gewünschten Effekte zu generieren. Zwischen 2012 und 2018 lag er durchgängig unter zehn Euro. Der wichtigste Grund dafür war wohl die Finanzkrise 2008/2009: Im Jahr 2009 schrumpfte die europäische Wirtschaft um 4,3 Prozent. Wie im März 2020 sank auch damals die Nachfrage nach Strom und anderen CO2-intensiven Industrieprodukten.

Daraus ergab sich ein deutlicher Überhang an CO2-Zertifikaten. Einen Mechanismus, um darauf zu reagieren, gab es nicht. Das ETS sah lediglich eine jährliche Reduktion der zu vergebenden Zertifikate um den festen Prozentsatz von 1,74 Prozent vor. Und so stapelten sich die überzähligen Zertifikate jedes Jahr immer höher. Entsprechend niedrig blieb der Preis und mit ihm der Anreiz für Unternehmen im EU-ETS, in die Drosselung ihrer Emissionen zu investieren.

Vorbereitung auf den nächsten Schock

Um kurzfristige Abhilfe zu schaffen, verschob die EU die Versteigerung von 900 Millionen für die Jahre 2014 bis 2016 vorgesehenen Zertifikaten in die Jahre 2019/2020. Doch dies war nur eine zeitliche Verlagerung des Problems. Die Emittenten konnten erwarten, die Emissionsrechte rechtzeitig zu erlangen. Dies erkannte man auch in der EU und reformierte das EU-ETS, um eine langfristige Lösung zu schaffen.

Ein Ergebnis war, dass die Zahl der zu versteigernden Zertifikate ab 2020 jährlich um 2,2 Prozent sinken soll. Ein weiterer wesentlicher Mechanismus ist die sogenannte Marktstabilitätsreserve (MSR). Sie soll „dem bestehenden Überschuss an Zertifikaten entgegenwirken und durch Anpassung des Angebots an zu versteigernden Zertifikaten die Widerstandsfähigkeit des Systems gegen stärkere Erschütterungen verbessern“.

Eine solche Erschütterung hat die Covid-19-Pandemie gebracht.

Ein Puffer für den EUA-Markt

Die MSR, seit 2019 in Kraft, soll also als Puffer dienen, der die Zahl der handelbaren Zertifikate in einem funktionellen Rahmen hält: In Jahren mit besonders großen EUA-Überschüssen werden Rücklagen gebildet, die in besonders wirtschaftsstarken Jahren mit hohem EUA-Bedarf in den Markt zurückgegeben werden.

Gespeist wurde beziehungsweise wird die Reserve aus drei Quellen: Zunächst wurden die 900 Millionen noch zu versteigernden Zertifikate in diese MRS verschoben. Hinzu kommen seit 2019 Zertifikate, die bei Auktionen nicht ersteigert werden.

Außerdem werden ab 2019 die zum Stichtag 31. Dezember des Vorjahres in Umlauf befindlichen Zertifikate gezählt. Liegt diese Zahl unter 400 Millionen, werden in der nächsten Auktionsperiode – September bis August – 100 Millionen zusätzliche Zertifikate versteigert. Sind jedoch mehr als 833 Millionen Stück in Umlauf werden in der Folgeperiode weniger Zertifikate versteigert. Derzeit wandern 24 Prozent der zum Stichtag zirkulierenden Zertifikate in die Reserve, anstatt in der nächsten Periode versteigert zu werden.

Der MSR in der Praxis

Im vergangenen Jahr ist genau dies eingetreten: Am 15. Mai 2019 gab die zuständige EU-Kommission bekannt, dass Ende 2018 rund 1,65 Millionen bisher ungenutzte Zertifikate im Umlauf waren. Zwischen September 2019 und August 2020 werden also knapp 400.000 Zertifikate weniger versteigert, als eigentlich vorgesehen.

Am 15. Mai 2020 wird die EU-Kommission die Zahlen für 2019 vorlegen. Und wie es aussieht, wird die Zahl wieder über 833 Millionen liegen. Auch in der kommende Auktionsperiode werden also deutlich weniger Zertifikate zu ersteigern sein, als eigentlich vorgesehen.

Ab 2023 sollen in einem solchen Fall statt 24 noch zwölf Prozent der umlaufenden Zertifikate wegfallen. Dafür soll der MSR selbst limitiert werden: Die Marktreserve soll dann nicht mehr ETS-Zertifikate beinhalten, als in der vorangegangenen Periode zur Versteigerung standen.

Preissignal für Investitionen

Der Einfluss der EU-ETS-Reform hat sich bereits vor deren Inkrafttreten bemerkbar gemacht, als sich abzeichnete, wie sie aussehen würde: Von Ende 2017 an stieg der EUA-Preis von etwa sieben Euro fast kontinuierlich bis auf ein vorläufiges Hoch von 28,57 Euro Mitte 2019.

Damit liefert er nunmehr ein klares Preissignal für Unternehmen: Je mehr es sie kostet, Treibhausgase zu emittieren, um so höher ist ihr Anreiz, in die Reduktion ihrer Emissionen zu investieren – nicht nur, weil sie dann weniger Zertifikate kaufen müssen, sondern auch, weil sie dann bereits erworbene oder zugeteilte veräußern können. Vom EUA-Preis ist also abhängig, wie teuer diese Investitionen sein dürfen, um profitabel zu sein.

Außerdem sollen die Erlöse aus den Auktionen den neuen Innovationsfonds der EU füllen, aus dem Projekt zur Erreichung der Klimaziele finanziert werden sollen. Bis Ende 2030 dürfte die EU laut eigenen Angaben mindestens 450 Millionen ETS-Zertifikate verkaufen. Jeder Euro Unterschied beim durchschnittlichen EUA-Preis über den Zeitraum verändert das Fondsvolumen also um fast eine halbe Milliarde Euro.

Der Wiederanstieg des EUA-Preises nach dem tiefen Fall im März könnte ein Zeichen dafür sein, dass es den Reformern tatsächlich gelungen ist, das EU-ETS für unvorhergesehene Schocks historischen Ausmaßes zu rüsten. Zumindest in der Covid-19-Krise sieht es aus, als leiste der MSR genau das, wofür er geschaffen wurde.

Bildnachweis: © RWE AG

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