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Geothermie: Die Kraft aus der Tiefe
Unter unseren Füßen liegt eine Mega-Quelle emissionsloser Energie. Bisher wird sie kaum angezapft

Sie ist so etwas wie die große Unbekannte der Energiewende: die Geothermie. Noch! Denn viele Fachleute sind der gleichen Meinung wie Inga Moeck: „Eine Wärmewende ohne Geothermie ist nicht möglich.“ Moeck ist Professorin am Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) an der Universität Göttingen. Dort erforscht sie die Potenziale der Geothermie. Die Expertin ist überzeugt davon, dass die Geothermie eine entscheidende Rolle bei einer emissionsarmen Energieversorgung spielen muss. Warum? Nun: „Fossile Energieträger sind im Wärmemarkt nicht durch Windkraft, Biomasse oder Sonnenenergie ersetzbar.“

„Eine Wärmewende ohne Geothermie ist nicht möglich.“ Inga Moeck, Professorin am Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG) an der Universität Göttingen.

Genug Energie für Hunderttausende Jahre

Was die Geothermie, also „Erdwärme“, Wind und Sonne voraushat: Sie ist konstant verfügbar. Der Vorteil gegenüber Biomasse: Sie konkurriert nicht mit Nahrungsmitteln um Anbaufläche, und ihr Potenzial ist – zumindest theoretisch – schier unerschöpflich: Allein die äußeren fünf Kilometer der insgesamt mehr als 6000 von der Erdkruste bis zum Mittelpunkt enthalten genug Energie, um den heutigen Energiebedarf auf mehrere Hunderttausend Jahre zu decken.

Die Grenzen liegen somit eher in der technischen und wirtschaftlichen Umsetzung, denn die Wärme nimmt mit der Tiefe zu – um durchschnittlich drei Grad Celsius alle 100 Meter. Je nach Geologie kann die Temperatur erheblich variieren: Der Extremfall sind Vulkane, in denen an der Erdoberfläche Temperaturen von mehreren Hundert Grad herrschen. Aber auch warme Thermalquellen und Geysire sind kostbare, weil gut erschließbare Energiequellen. Nicht umsonst gilt Island als Land der Geothermie: Die Insel bezieht mehr als die Hälfte der Primärenergie aus Erdwärme. Nur vereinzelt heizen Haushalt dort auf andere Art und Weise. Aber auch Strom gewinnen die Isländer aus Geothermie, indem sie mit kochend heißen Thermalwasser Dampfturbinen antreiben.

Die Oberflächennähe der Erdwärme in Island macht diese Art der Stromgewinnung sogar so effizient, dass Überlegungen bestehen, die auf diese Weise erzeugte Elektrizität über ein Seekabel nach Großbritannien zu exportieren. Denn dort – wie auch an den meisten andern Orten Europas – schlummert die Geothermie tiefer als auf der Vulkaninsel im Nordatlantik. In Deutschland etwa gibt es nur eine Handvoll Orte, an denen ausreichend heißes Wasser in erreichbarer Tiefe zu finden ist, um damit wirtschaftlich Strom zu erzeugen. Insbesondere am Alpenrand südlich von München ist dies der Fall.

Das bedeutet aber nicht, dass alle anderen Orte ungeeignet zur Nutzung der Erdwärme wären. Im Gegenteil, betont Geologin Moeck: „Die Geothermie fokussiert sich nun – auch bei Tiefbohrungen – auf Wärme, nicht mehr auf Strom.“

400.000 Anlagen liefern vor allem Wärme

In Deutschland waren laut Bundesverband Geothermie Ende 2018 knapp 400.000 Geothermie-Anlagen in Betrieb. Ihre gesamte Kapazität lag bei knapp 35 Megawatt (MW) Strom und 4.600 MW Wärme. Das genügte immerhin, um 47.000 Zwei-Personen-Haushalte mit Strom und 580.000 Zwei-Personen-Haushalte mit Wärme zu versorgen.

Geothermie in Deutschland:

Knapp 400.000 Geothermie-Anlagen sind in Deutschland installiert.

Die Stromleistung ist seit einiger Zeit nahezu konstant, die Wärmeleistung war schon einmal höher. Für Expertin Moeck ist das eine Folge des Problems, dass Geothermie in Deutschland eher stiefmütterlich behandelt wird: „Selbst Forschungsbohrungen sind in Deutschland nicht mehr ohne weiteres möglich, weil wir eine Technologieabwanderung feststellen.“ Der Staat unterstütze die Exploration der Geothermie nicht ausreichend, um sie als Geschäftsfeld zu eröffnen und zur Marktreife zu führen, klagt die Professorin.

Vorreiter Niederlande

Nicht ohne Neid blickt sie auf die niederländischen Nachbarn. Dort hat die Branche in Kooperation mit Wirtschafts- und Innenministerium im Mai 2018 einen „Masterplan Erdwärme“ präsentiert. „Danach wird das sogenannte ‚Fündigkeitsrisiko’ von tiefen Geothermie-Bohrungen vom Staat übernommen“, erklärt Moeck. „Besonders ist die Strategie der ‚dual-play exploration‘, also dass gleichzeitig nach Gas und Geothermie gesucht werden kann.“ So mache die niederländische Regierung den Übergang von Gas- zu Geothermie auch für Investoren attraktiv. Nicht nur die britisch-niederländische Shell, auch Engie aus Frankreich und Vermillion aus Kanada haben Interesse bekundet.

Ein Zufall ist es also wohl nicht, dass die Niederlande in diesem Jahr Partnerland des deutschen Geothermie-Kongresses sind, der Mitte November in München stattfand. Schon heute wird Erdwärme dort vielfältig eingesetzt – nicht nur in Wohngebäuden. Auch Gemüseproduzenten nutzen sie, um ihre Gewächshäuser auf Temperatur zu halten. „In Belgien und Dänemark will man das niederländische Muster kopieren“, sagt Moeck – und wünscht sich ein ähnliches Engagement von der Bundesregierung.

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