Eine Stadt klimaneutral zu machen – das ist ein höchst ambitioniertes Vorhaben unabhängig von jeglichem Zeitplan. Die beiden schottischen Städte Glasgow und Edinburgh haben nun angekündigt, dieses Ziel verwirklichen zu wollen, und zwar schon bis zum Jahr 2030. Das wären 15 Jahren vor dem Datum, das die schottische Regierung als Ziel vorgegeben hat.
Dabei bedeutet CO2-neutral nicht, dass gar keine Treibhausgase mehr in die Luft geblasen werden. Stattdessen müssen die Emissionen, die in der Stadt entstehen, beispielsweise durch Anpflanzungen von Bäumen ausgeglichen werden. Die Bilanz der Treibhausgasemissionen wird so auf null gebracht. Doch selbst wenn Ausgleichsmaßnahmen mit einberechnet werden, müssen Emissionen in großem Maße eingespart werden, damit eine Stadt klimaneutral wird. Sollte das Glasgow und Edinburgh gelingen, wären sie nicht nur die ersten Städte in Großbritannien, sondern auch weltweit unter den Vorreitern.
Städte gehören zweifelsohne zu Orten, wo große Mengen an Treibhausgasen emittiert werden. Denn sie sind Zentren des Energieverbrauchs, weil viele Menschen auf engem Raum zusammenwohnen. Während verarbeitende Betriebe weitgehend an den Rand gezogen sind, wächst der Bedarf nach Klimatisierung und Beleuchtung von Gebäuden. Täglich bewegen sich dort Millionen von Menschen, was zu einer steigenden Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmitteln sowie mehr Autoverkehr führt. Schwere und leichte Lastkraftwagen versorgen ständig die Städte mit Lebensmitteln und Waren.
Nach Angaben der Vereinten Nationen ist die urbane Weltbevölkerung von 751 Millionen Menschen im Jahr 1950 auf 4,2 Milliarden im Jahr 2018 gestiegen. Bis 2050 wird diese Zahl voraussichtlich um weitere 2,5 Milliarden zunehmen – dann werden mehr als zwei Drittel der Menschheit in Städten leben.
Um die im Pariser Abkommen festgelegten Klimaschutzziele zu erreichen, müssen Städte daher möglichst klimaneutral werden. Nur wie? Für den Ausbau Erneuerbarer Energien fehlt in der Regel der Raum. Solaranlangen auf dem Dach sind eine Möglichkeit, aber die Gebäude, die im Durchschnitt immer höher gebaut werden, verfügen im Vergleich zur Gesamtfläche über wenig nutzbare Fläche.
Zwar existieren unterschiedlichste Arten von Niedrigenergiehäuser, die für Neubauten eine Lösung darstellen. Städte sind in der Regel jedoch über Jahrhunderte gewachsen. Die bestehenden Gebäude, in denen die meisten Menschen leben, müssen also umgebaut werden.
Bei der Dekarbonisierung von Städten steht die Elektrifizierung im Vordergrund. Laut Glasgower Stadtrat leben 70 Prozent der Stadtbewohner in Wohnungen ohne eigene Parkplätze, so dass die Einrichtung eines weit verbreiteten und zugänglichen Systems von öffentlichen Ladestationen eine wesentliche Voraussetzung für die Einführung von Elektroautos ist. Und mit elektrisch betriebenen Bussen können Emissionen des öffentlichen Nahverkehrs reduziert werden.
Die Folgen der wachsenden Elektrifizierung gehen allerdings noch deutlich weiter: Damit E-Fahrzeuge auch wirklich klimaneutral unterwegs sind, muss der benötige Strom aus Erneuerbaren Energien stammen. Das bedeutet eine enorme Ausweitung der in ganz Schottland verfügbaren Erneuerbaren-Kapazitäten, wie On- und Offshore-Wind, Sonnenenergie, Wasserkraft und Biomasse.
Ein zweiter Schwerpunkt auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt ist die Energierückgewinnung. Denn Städte verbrauchen nicht nur große Mengen an Energie, sie produzieren auch große Mengen an Abfall. Diese Abfälle als Ressource zu nutzen, ist ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts der „Kreislaufwirtschaft“.
In Glasgow soll das „Glasgow Recycling and Renewable Energy Centre“ 90 Prozent aller kommunalen Abfälle nutzen. So umfasst das Zentrum eine anaerobe Vergärungsanlage und eine fortschrittliche Umwandlungsanlage, die aus besonders energiereichen Abfällen ein synthetisches Gas herstellt, das für die Wärmeversorgung und die Stromerzeugung genutzt werden kann. In Edinburgh soll nach den Wünschen des Stadtrates eine neue Betriebsstätte entwickelt werden, die bisher nicht recyclebaren Abfall energetisch nutzt.
Der dritte Bereich betrifft den Verkehr. Darunter fällt auch die Schaffung sogenannter „Low Emissions Zones“ (LEZs), also Umweltzonen, in den Innenstädten. In Glasgow wurde die Umweltzone Anfang des Jahres in Betrieb genommen, nach London ist es erst die zweite im Vereinten Königreich. Und in Zukunft könnten Frachtdrehkreuz außerhalb der Stadtgrenzen entstehen, von wo E-Fahrzeuge die Güter ins Zentrum bringen.
Das sind die ersten Schritte auf dem langen Weg zu einer klimaneutralen Stadt, viele neue Technologien werden für dieses Ziel gebraucht. Beispielsweise könnte Erdgas durch Biogas ersetzt werden, oder Wasserstoff zum Heizen genutzt werden. Weder Glasgow noch Edinburgh geben vor, im Moment alle Antworten zu haben. Nach eigenem Bekunden haben sie aber den Ehrgeiz, diese zu finden.
Das erfordert politische Flexibilität, innovative Unternehmen, öffentliche Unterstützung und vielleicht auch den einen oder anderen gelegentlichen Fehlversuch, da Lösungen erprobt und getestet werden. Im Ergebnis soll nicht nur die eigene Stadt von den Bemühungen profitieren, sondern sie sollen als Vorbild für andere Städte weltweit dienen. Der Umbau der Städte zur Klimaneutralität ist eine Herausforderung von globaler Bedeutung.