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Glasröhren, die Strom produzieren und Schatten spenden
Solartechnik made in Germany: TubeSolar-Vorstand Reiner Egner erklärt im Interview die Vorteile der innovativen Technologie

Um aus der Energie der Sonne Strom zu gewinnen, ist – neben einer intensiven Sonneneinstrahlung – vor allem ein Faktor entscheidend: Der Platz. Nach Informationen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW) benötigen moderne Solaranlagen etwa 1,4 Hektar Fläche pro Megawatt (MW) Produktionskapazität. Das Ausbaupotenzial ist also begrenzt. Es gibt jedoch zahlreiche Möglichkeiten, Flächen doppelt zu nutzen. In unserer Serie haben wir bereits einige dieser Ansätze vorgestellt – vom Solardach für die Autobahn, über innovative In-Dach-Photovoltaik-Module bis hin zu Anlagen auf dem offenen Meer.

All diese Konzepte haben eines gemeinsam: Sie nutzen flache Module, die zur Sonne hin ausgerichtet werden. Die deutsche TubeSolar AG geht einen anderen Weg. Das 2019 gegründete Unternehmen ist aus dem Münchener Osram-Leuchtmittelkonzern hervorgegangen. Das verrät spätestens ein Blick auf das innovative Produkt der Firma: Bei ihren PV-Modulen sind die Solarzellen nicht zwischen zwei Glasplatten eingeschlossen, sondern in einer länglichen Glasröhre, die den Leuchtstoffröhren des Lampenspezialisten zum Verwechseln ähnlich sieht. Welche Vorteile dieser Aufbau mit sich bringt, erklärt Reiner Egner, kaufmännischer Vorstand von TubeSolar.

Herr Egner, PV-Zellen in eine Leuchtstoffröhre einzubauen ist ein ungewöhnlicher Ansatz. Wie kam es dazu?

Reiner Egner

Die Idee dazu hatte die Physikerin Dr. Vesselinka Petrova-Koch bereits vor einigen Jahren. Sie ging damit auf Osram zu und unterbreitete den Vorschlag, die Erfindung gemeinsam zu patentieren und umzusetzen. Damit sollte die Glasrohrproduktion bei Osram in Augsburg neu ausgerichtet und weiter genutzt werden. Grundlagen der angewandten Technik stammen von Osram/Ledvance und wurden im Zuge eines Spin-offs in die TubeSolar AG eingebracht. Dabei haben wir unter anderem die Basistechnologie und Patente übernommen.

Was unterscheidet Ihre Tubes von herkömmlichen PV-Modulen?

Antwort

Wir nutzen speziell gehärtete Glasröhren als Basis, das macht unsere Technologie innovativ und einzigartig. Die Glasröhren sind einen Meter lang und haben einen Durchmesser von 2,5 Zentimetern. Im Innern ist eine PV-Dünnschichtfolie integriert. Durch ein spezielles Verschmelzungsverfahren werden die Röhren luft- und wasserdicht abgeschlossen. Ein Modul besteht dann aus zwei Halbmodulen mit je 20 Tubes, die auf einer Schiene zusammengefasst sind. Es ist ein mal zwei Meter groß und wiegt etwa 18 Kilogramm. Der gitterartige Aufbau und die Leichtbauweise erlauben es uns, die Module an beliebiger Stelle aufzustellen und das problemlos auch acht oder neun Meter über dem Boden. Im Bereich der Agro-Photovoltaik versprechen wir uns davon entscheidende Vorteile.

Gerade in diesem Bereich gibt es bereits Lösungen, die eine Doppelnutzung von Flächen ermöglichen. Zum Beispiel bifaziale Module mit PV-Zellen auf beiden Seiten, die vertikal aufgestellt werden können. Warum setzen Sie trotzdem auf die Tubes?

Antwort

Bifaziale Module sind eine weitere Möglichkeit, keine Frage. Mit unseren Tubes können wir aber sogar das Pflanzenwachstum verbessern. Durch die Abstände zwischen den Röhren von 2,5 Zentimetern beträgt die Lichtdurchlässigkeit etwa 30 bis 40 Prozent. Das ist für das Wachstum einiger Pflanzenarten von besonderer Bedeutung. In südlichen Ländern mit deutlich stärkerer Sonneneinstrahlung könnte das ein großer Vorteil sein. Außerdem bieten unsere Module Schutz vor Hagel und Starkregen. Wegen ihrer geringen Windlast besteht zudem kaum Gefahr, dass sie sich aufschaukeln, und auch die Anforderungen an die Baustatik sind niedriger. Das senkt die Systemkosten.

Das sind viele Argumente, die für die Tubes sprechen. Wie sieht es beim Ertrag aus?

Antwort

Wir sind gerade noch dabei, den Wirkungsgrad zu optimieren. Die Verlaufskurve des Ertrags bei unseren Tubes ist deutlich gleichmäßiger als bei herkömmlichen Flachmodulen. Das begünstigt einen höheren Gesamtertrag . Durch den röhrenförmigen Aufbau fallen über einen längeren Zeitraum am Tag Sonnenstrahlen fast senkrecht auf die Zellfolie. Die Tube-Form hat außerdem eine natürliche Selbstreinigungsfunktion. Die Module verschmutzen bei weitem nicht so stark wie Flachanlagen. Auch das wirkt sich positiv auf den Ertrag aus.

Wo liegen die Kosten für eine solche Anlage?

Antwort

Aktuell arbeiten wir noch mit einer halbautomatisierten Fertigung. Mit einer Förderung des bayerischen Wirtschaftsministeriums in Höhe von fast elf Millionen Euro werden wir aber noch Ende 2021 mit der hochautomatisierten Produktion beginnen – zunächst mit einer Kapazität von 20 Megawatt, die in den nächsten Schritten auf 250 Megawatt steigen soll. Durch die Skalierung werden wir schnell in einen Bereich kommen, in dem wir uns mit den derzeit am Markt erhältlichen, hochwertigen kristallinen Modulen vergleichen können – auch bei den Stromgestehungskosten.

Die ersten Pilotprojekte sind bereits in Planung. Wo werden die Anlagen aufgestellt?

Antwort

Aktuell planen wir Pilotanlagen an der Fachhochschule in Weihenstephan, im Bereich der Dachbegrünung und bei einem Gartenbaubetrieb, der in Kombination mit unseren Modulen Pflanzen anbauen möchte, die Halbschatten bevorzugen.

Das sind ganz unterschiedliche Anwendungsbereiche. Wo sehen Sie in Zukunft das größte Potenzial?

Antwort

Neben dem Megatrend Agro-Photovoltaik mit den bereits angesprochenen Vorteilen der Doppelnutzung von knapper werdenden Bodenflächen mit nachhaltiger Energiegewinnung hat der Bereich der Industrie- und Gewerbedächer für uns Priorität. Bereits jetzt werden allein in Deutschland jährlich circa sieben Millionen Quadratmeter Dachflächen begrünt. Die ersten deutschen Bundesländer haben zudem eine PV-Pflicht für neue Gewerbegebäude beschlossen. Und das Potenzial ist riesig: Alleine in Bayern sprechen wir von einer deutlichen Gigawattgröße. Unsere Anlagen sind eine sinnvolle Ergänzung zur Dachbegrünung – auch dieses Thema wird immer wichtiger. Die Leichtbauweise stellt geringere Anforderungen an die Statik und unter der Aufständerung kann sogar maschinell gepflegt werden. Wir sind zuversichtlich, dass wir auch dieses enorme Marktpotenzial erschließen können.

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