Null Emissionen bis zum Jahr 2050: Ein ambitioniertes, aber verbindliches Ziel, das von der britischen Regierung im vergangenen Jahr beschlossen wurde. Dieses Vorhaben kann jedoch nur erreicht werden, wenn es umfangreiche Maßnahmen und volles Engagement in allen Bereichen der Gesellschaft gibt. Der Stromnetzbetreiber National Grid ESO hat im aktuellen Bericht „Future Energy Scenarios“ daher untersucht, was getan werden muss, um das ambitionierte Netto-Null Wirklichkeit werden zu lassen.
Alle drei in dem Bericht vorgeschlagenen Szenarien würden dabei große Transformationen für das Energiesystem nach sich ziehen und sowohl Verbraucher als auch Stromproduzenten gleichermaßen betreffen. Die Autoren nennen dabei Kerntechnologien, die für eine erfolgreiche Umsetzung der drei Zukunftsmodelle wesentlich seien:
Der Grundgedanke dabei: Mit weniger Energie soll mehr erreicht werden können.
Jedes der vorgestellten Szenarios hängt von einer Versorgung mit regenerativ erzeugtem Strom ab – die vor allem durch Wind- und Sonnenenergie ermöglicht wird. Dem Bericht zufolge müssen die Nettoemissionen aus dem Stromsektor bis 2033 negativ sein – dafür müssten in Großbritannien bis 2050 jährlich 3 GW Windkraft und 1,4 GW Solarenergie installiert werden.
Dieser muss jedoch auch Kapazitäten haben, Strom zurück ins Netz zu leiten – eine Technologie, die als Vehicle-to-Grid (V2G) bekannt ist.
Für eine Null-Emissionen-Versorgung wird Wasserstoff bis 2050 zwischen 21 und 59 Prozent des Energiebedarfs der Endverbraucher decken müssen.
Dies kann durch Elektrifizierung, den Einsatz von Wasserstoff oder aber auch durch den Einsatz von Wärmepumpen und thermischen Speichern im Haus geschehen.
Die Liste der kritischen Technologien endet damit aber noch nicht. Die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von Kohlenstoff wird laut National Grid ESO in zwei Bereichen benötigt. Diese soll Emissionen aus der Produktion von „blauem“ Wasserstoff durch die Reformierung von Erdgas auffangen und negative Emissionen mithilfe der BECCS-Technologie (Bioenergie und Carbon Capture and Storage) liefern.
Das transformierte Energiesystem der Zukunft braucht einen ganzheitlichen Systemansatz, argumentiert National Grid. Denn die einzelnen Teile des Systems hängen zunehmend voneinander ab. Eine stark ausgeweitete Erzeugung erneuerbarer Energien führt zu einer größeren Variabilität des Angebots, und diesem müsse innerhalb des Systems durch mehr Flexibilität begegnet werden, so der Stromnetzbetreiber.
Genau hier kommen V2G und die Wasserstoffproduktion ins Spiel. In Zeiten einer Stromüberproduktion können Millionen von E-Fahrzeugen aufgeladen und Wasserstoff über Elektrolyseure in Gigawatt-Größe erzeugt werden, um so einen Treibstoff zu erzeugen, der sich gut speichern lässt. In Zeiten einer Stromunterproduktion kann das V2G-System Strom ins Netz zurückfließen lassen. Wasserstoff, der auch zum Heizen und als Fahrzeugkraftstoff verwendet werden kann, kann über Brennstoffzellen wieder in Strom umgewandelt werden, um für einen Netzausgleich zu sorgen.
All diese Möglichkeiten, zusammen mit anderen Formen der Elektrizitätsspeicherung wie Batterien, erfordern ein viel stärker integriertes Energiesystem, in dem alle Teile des Systems miteinander „kommunizieren“ müssen. Diese Kommunikation wird durch die zunehmende Digitalisierung gewährleistet – wie zum Beispiel durch intelligente Stromzähler und V2G-Steuerungen. Als ebenso wichtig, wie der Stromfluss selbst wird sich daher wohl auch der Fluss an digitalen Daten durch das saubere Stromnetz erweisen.
Einer der wichtigsten Faktoren zur Unterscheidung zwischen den vorgeschlagenen Szenarien ist die Anpassungsbereitschaft der Verbraucher.
Im Szenario der „Verbrauchertransformation“, in dem die Verbraucher „glückliche Anpassungswillige“ sind, herrscht beispielsweise eine hohe Energieeffizienz und das Heizen ist fast vollständig elektrifiziert.
Beim „Systemtransformations-Szenario“, in dem die Verbraucher weniger anpassungs- und wechselwillig sind, bildet Wasserstoff die Hauptquelle für das Heizen, und die Energieeffizienz ist geringer.
Beim „Vorreiter-Szenario“, welches den realistischsten und schnellsten Weg zu null Emissionen aufzeigt, ändert sich der Lebensstil der Verbraucher am meisten – das Heizen wird hier durch eine Mischung aus Wasserstoff und Elektrifizierung ermöglicht.
Klar ist: Damit das Ziel von null Emissionen erreicht werden kann, wird sich die Art und Weise von Energieproduktion – und Verbrauch ändern müssen. Wie schnell und effektiv dies jedoch erreicht werden kann, hängt zu einem großen Teil von der Verbraucherbereitschaft ab die Einführung neuer Technologien zu akzeptieren. Strom- und Energieerzeuger sind unterdessen aufgefordert, in mehreren Bereichen bedeutende Innovationen und die entscheidenden Technologien zu liefern, auf denen der Erfolg oder Misserfolg der Energietransformation beruhen soll.
Bildnachweis: National Grid ESO