Der European Green Deal ist ein Meilenstein auf dem Weg der EU, die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen. In dieser Serie werfen wir einen Blick auf einige der Schlüsselelemente im Bezug auf den Energiesektor, das europäische Klimagesetz, den Investitionsplan, die Industriestrategie und den Aktionsplan für eine Kreislaufwirtschaft.
Für die meisten Waren werden heute Rohstoffe aus der Natur entnommen und unter Einsatz von Energie in ein fertiges Produkt verwandelt. Nach dieser Wertschöpfung werden die Waren dann eine Zeit lang benutzt und irgendwann weggeworfen. Die Ellen Macarthur Foundation setzt sich dafür ein, dass sich das ändert. Das bisherige Vorgehen beschreibt man dort als Wirtschaftsmodell des „take-make-waste“ (nimm-mach-verschwende), den Gegenentwurf nennt man „Circular Economy“ – „Kreislaufwirtschaft“.
Dabei soll Müll so intensiv verwertet werden, dass die wirtschaftliche Aktivität vom Verbrauch natürlicher Ressourcen entkoppelt wird. Die heißt, einmal verwendete Materialien sollen möglichst lange in Umlauf gehalten werden. Dafür werden sie immer wieder so aufbereitet, dass aus ihnen nicht – wie heute zumeist – nur Brennstoff für Kraftwerke wird, sondern richtige neue Produkte entstehen.
Nehmen wir eine Mehrweg-Plastikflasche: Sie kann einige Male wiederverwendet werden, aber nicht unendlich oft. Dennoch könnte man den Kunststoff zu einem Faden und den Faden zu einem Stoff und den zu Kleidung verarbeiten. Oder man verarbeitet die PET-Flaschen zu Bremsschwellen zur Verkehrsberuhigung. Das Ziel: Das Phänomen Müll in die Geschichtsbücher verbannen.
Um das zu ermöglichen, muss der Weg bereits in der Designphase bedacht werden. Wenn ein Produkt von Anfang an darauf ausgelegt ist, dass es irgendwann recycelt, repariert, erneuert oder wiederverwertet wird, wird das viel einfacher sein – und preiswerter. Die Europäische Union schätzt, dass bis zu 80 Prozent der Umwelteffekte eines Produktes bereits in der Designphase bestimmt werden. Dennoch halten sich die Anreize, die Waren „zirkulärer“ zu designen bisher in engen Grenzen.
Der Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft als Schlüsselelement des „European Green Deal“ soll das ändern. Ziel ist es, nachhaltige Produkte zur Norm in der EU zu machen. Das Programm soll sich zunächst auf die Sektoren konzentrieren, „in denen die meisten Ressourcen genutzt werden und in denen ein hohes Kreislaufpotenzial besteht“, heißt es bei der EU-Kommission. Dazu zählt man in Brüssel die Branchen Elektronik und IT, Batterien und Fahrzeuge, Bauwesen und Gebäude sowie Verpackungen. Aber auch die Anforderungen an Kunststoffe, Textilien und die Lebensmittelverpflegung sollen auf Wiederverwend- und Verwertbarkeit getrimmt werden.
Letztlich strebt die EU also so etwas wie ein „regeneratives Wachstumsmodell“ an. Der Zeitplan sieht vor, dass in zehn Jahren doppelt so viel Material in die Kreislaufwirtschaft geht als bisher. Wachsen würde daran mit Sicherheit die Recycling- und Aufbereitungsbranche.
Die Hoffnung ist aber, dass auch andere Unternehmen profitieren – vor allem die, die bisher viel Geld dafür aufwenden, sich natürliche Rohstoffe an volatilen internationalen Märkten zu beschaffen. In einer kosteneffizienten Kreislaufwirtschaft sollen sie wiederverwertete Waren und Materialien zu vorhersehbareren Preisen beziehen.
In Kürze will die EU-Kommission eine Gesetzesinitiative starten, um der Nachhaltigkeit einen legalen Rahmen zu geben. Dies könne so ähnlich funktionieren wie heute schon bei Produkten, die für den Energieverbrauch relevant sind, bei denen die Kennzeichnung der Energieeffizienzklasse vorgeschrieben ist. Dieses Prinzip könnte auf weitere Aspekte wie Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwertbarkeit von Produkten und damit auch auf weitere Warengruppen ausgeweitet werden.
Darüber hinaus könnte der Verkauf von Einwegprodukten wie Plastikstrohhalmen und -tüten weiter eingeschränkt werden. Auch Richtlinien dagegen, dass Haushalts- und Elektronikgeräte frühzeitig kaputt gehen und eine Reparatur nicht möglich oder unwirtschaftlich ist, sind offenbar im Gespräch – bis hin zu einem Verbot für Güter, die eine gewisse Lebensdauer unterschreiten. Ein anderer Ansatz sieht vor, das Marketing-Prinzip „Produkte als Service“ zu fördern. Dabei verkaufen Anbieter ein Produkt nicht, sondern bieten den Kunden ein funktionierendes Produkt für eine bestimmte Laufzeit an. Damit übernehmen sie die Verantwortung für die Funktionstüchtigkeit über den gesamten Lebenszyklus. Und vielleicht sogar für einen zweiten und dritten …
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