Sieben Monate lang hat die EU-Kommission untersucht, ob der Kapazitätsmarkt im Vereinigten Königreich mit den Wettbewerbsbestimmungen der Europäischen Union vereinbar ist. Nun hat sie – erneut – grünes Licht gegeben.
Das Ziel eines Kapazitätsmarktes ist ein stabiles Stromnetz: Um Verbrauchsspitzen oder Versorgungsengpässe – etwa wegen Einspeiselücken bei den erneuerbaren Quellen – zu überbrücken, müssen Kapazitätsreserven vorgehalten werden. Dafür bezahlte der britische Staat den Anbietern eine Art Stand-by-Prämie.
Staatliche Beihilfen sind in der EU aber nur dann erlaubt, wenn sie keine Wettbewerber, insbesondere aus anderen EU-Staaten, benachteiligen. Dies hatte die EU-Kommission dem britischen Vergütungsmodell bereits vor dem Inkrafttreten 2014 attestiert – allerdings ohne es ausreichend geprüft zu haben, befand der Europäische Gerichtshof (EuGH) im November 2018 und suspendierte die Zahlungen.
Nun, fast zwölf Monate später, kann das Vereinigte Königreich die Anbieter wieder vergüten. Die ausgesetzten Zahlungen will die britische Regierung im kommenden Januar überweisen.
In Kapazitätsmärkten erhalten die Anbieter eine Vergütung für das bloße Bereithalten von Reservekapazität. Das ist der grundlegende Unterschied zu Energy-only-Märkten, wie er etwa in Deutschland existiert, in denen nur tatsächlich geleisteter Lastausgleich vergütet wird.
Um die Kosten für die Verbraucher möglichst niedrig zu halten, müssen die Anbieter von Reservekapazitäten die ausgeschriebenen Aufträge auf Auktionen versteigern: Die niedrigsten Gebote erhalten die Zuschläge. Im Bedarfsfall dann erhalten sie wiederum eine Vergütung für die tatsächlich erbrachte Ausgleichsleistung. Reagieren die Anbieter nicht fristgerecht, drohen ihnen empfindliche Strafen.
Teilnehmen können neben konventionellen Kraftwerken auch Energiespeicher wie Batterie- und Pumpspeicherkraftwerke. Aber auch Großverbraucher können – in dem Fall negative – Ausgleichskapazität anbieten: Bei einem Versorgungsengpass werden ihre Anlagen vom Netz genommen, um den Verbrauch an die verfügbare Leistung anzupassen.
Genau um diese Technologieneutralität ging es auch vor dem EuGH. Ein Großverbraucher hatte die Klage eingereicht, weil er sich im Bieterwettbewerb benachteiligt fühlte. Außerdem argumentierte er, die EU-Kommission habe bei der Genehmigung formelle Fehler begangen. Im zweiten Punkt folgte der EuGH der Anklage und suspendierte im November 2018 den britischen Kapazitätsmarkt.
Im Februar 2019 dann begann die EU-Kommission erneut zu untersuchen, ob die britische Regelung in Einklang mit den Beihilfevorschriften der EU ist. Am 24. Oktober bestätigte sie ihren ersten Befund – nämlich, dass der Kapazitätsmarkt des Vereinigten Königreichs keine Technologien bevorzuge oder benachteilige.
In einer Erklärung teilte die EU-Kommission mit, dass sie britische Regierung sich zudem verpflichtet habe, den Kapazitätsmarkt weiter zu „verbessern“. So solle etwa die Mindestkapazität, die zur Teilnahme berechtigt, gesenkt werden. Die Änderungen würden verbrauchsseitige Anbieter und auch Wettbewerbern in Irland und Kontinentaleuropa zugutekommen, die ihre Kapazität via Interkonnektoren anbieten wollen.
In den bisherigen Auktionen hat der starke Wettbewerb stets zu niedrigeren Preisen geführt – auch während der Kapazitätsmarkt ausgesetzt war: Bei der Auktion für den Zeitraum 2019/2020 im Juni 2019 wurden Kapazitäten von insgesamt 3.626 Megawatt (MW) zum Rekordpreis von nur 0,77 britischen Pfund pro Kilowatt versteigert. Anfang 2020 sollen drei weitere Auktionen für den Zeitraum 2023/2024 stattfinden.