In ihrem im Juni veröffentlichten Bericht über die Energiepolitik der Europäischen Union für das Jahr 2020 hat die Internationale Energieagentur (IEA) den Stromsektor lobend erwähnt und festgestellt, dass die gesamten Treibhausgasemissionen (THG) der EU zwischen 2005 und 2018 um 17 Prozent gesunken sind und damit 23 Pozent unter dem Stand von 1990 liegen.
Die drei wichtigsten Bausteine für diese Entwicklung waren eine erhöhte Energieeffizienz, der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Brennstoffwechsel, wobei die IEA insbesondere die Rolle der Windkraft hervorhob. Diese entwickelt sich rasch zur größten erneuerbaren Energiequelle der EU, hauptsächlich angetrieben durch Offshore-Windparks, ein Bereich, in dem die EU eine „globale Führungsrolle“ übernommen hat, sagte die Agentur.
Der Stromsektor der EU sticht im internationalen Vergleich hervor, so der Bericht. Seine Emissionsintensität, also die Menge an Kohlenstoff, die für jede Kilowattstunde (kWh) erzeugten Stroms freigesetzt wird, lag 2018 bei nur 270 Gramm CO2 pro kWh. Zum Vergleich: In den USA waren es 400 Gramm pro kWh, in Japan über 500 und etwa 600 bis 700 Gramm in China und Indien. Über alle Sektoren sank die Emissionsintensität in der EU 2019 auf nur noch 235 Gramm CO2 pro kWh.
Die IEA stellte zudem fest, dass das EU-Emissionshandelssystems (ETS) auch in der Covid-19-Pandemie widerstandsfähig ist. Die Experten erklärten, dass es dank der Marktstabilitätsreserve, einem Mechanismus zur Entfernung überschüssiger Zertifikate aus dem System, dem Überangebot an Emissionszertifikaten infolge der Corona-Krise standgehalten hat.
Die Agentur warnte jedoch davor, dass diese Fortschritte nicht sektorübergreifend waren. Das habe zur Folge, dass sich das Tempo der Verbesserung der Energieeffizienz verlangsame und die EU nicht auf dem Weg sei, ihr Ziel für 2020 in diesem Bereich zu erreichen.
Der Bericht stellt außerdem fest, dass die Krise zwar die Emissionen aus dem Verkehrssektor erheblich beeinflussen wird, diese allerdings bis Ende 2019 insbesondere im Luftverkehr weiter gestiegen waren. Gleichzeitig sind auch die Emissionen aus Gebäuden, die 40 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in der EU ausmachen, weiter angestiegen. Die IEA-Experten sagen deshalb, dass eine viel größere Verlagerung im Verkehrssektor erforderlich sei, um die Ziele der EU für 2030 zu erreichen. Insbesondere müsse ein „erheblicher“ Teil der 75 Prozent des auf der Straße beförderten Güterverkehrs auf die Schiene und die Binnenschifffahrt verlagert werden. Darüber hinaus müsse es bis 2025 eine Million öffentliche Auflade- und Tankstellen geben, um emissionsfreie und emissionsarme Fahrzeuge zu unterstützen. Bis 2030 sollen es drei Millionen sein.
Die IEA warnt auch davor, dass die EU trotz des Anstiegs der Kapazität der Erneuerbaren noch nicht auf dem Weg sei, bis 2030 einen Anteil am Energiemix von 32 Prozent zu erreichen. Sie nehme mit Besorgnis zur Kenntnis, dass die EU-Investitionen in erneuerbare Energien 2020 im Vergleich zu 2019 voraussichtlich um ein Drittel zurückgehen werden und forderte die EU auf, ihre Ressourcen zu nutzen, um Investitionen in diesem Sektor aufrechtzuerhalten.
Laut IEA gibt es erheblichen Spielraum für die Kombination von Ausgaben für die Energiewende und die Covid-19-Erholung. Sie empfiehlt der EU daher, sich auf die Beseitigung der verbleibenden Hindernisse für Investitionen in saubere Energie zu konzentrieren.
Dabei bietet der European Green Deal (EGD), der im vergangenen Jahr von der Europäischen Kommission angekündigt wurde, nach Ansicht der Agentur eine große Chance. Der EGD habe das Potenzial, die Technologieinvestitionen, die für eine langfristige Dekarbonisierung erforderlich sind, voranzutreiben. Das könnte die Kosten für die Eindämmung des Klimawandels im Laufe der Zeit glätten. Der EGD und die kurzfristigen Rückgewinnungsfonds sollten sich nach Einschätzung der IEA auf die Energieeffizienz konzentrieren und insbesondere ein großangelegtes Programm zur Gebäudesanierung auf den Weg bringen. Das schaffe Arbeitsplätze in der Produktion und im Baugewerbe für kleine und mittlere Unternehmen. Gleichzeitig würden Verbraucher dadurch Geld sparen und Treibhausgasemissionen würden reduziert.
Die IEA argumentiert auch, dass die gegenwärtige Periode niedriger Preise für fossile Brennstoffe eine Gelegenheit biete, die Subventionen dafür auslaufen zu lassen und die Energiepreise sowie die Besteuerung zu reformieren, um klimafreundliche Energiequellen zu begünstigen. Insbesondere sollten die hohen Steuern auf Elektrizität abgeschafft und die festen Netzgebühren reformiert werden.
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