Die weltweiten Investitionen in die Energieversorgung werden dieses Jahr voraussichtlich um fast 10 Prozent ansteigen und damit wieder ein Niveau von vor der Pandemie erreichen – so der aktuelle „World Energy Investment 2021“-Report (auf Englisch) der Internationalen Energieagentur (IEA). Doch Unterschiede gibt es auch, das zeigt der Bericht: Die Investitionen fließen vermehrt in andere Bereiche als noch vor der Pandemie – weg von der traditionellen Brennstoffproduktion hin zum Stromsektor und Endverbraucheranwendungen.
Eine strukturelle Verschiebung der Investitionen hin zu sauberen Technologien ist somit klar erkennbar. Laut IEA müssen diese in den 2020er Jahren allerdings noch viel schneller ansteigen, damit die festgelegten Klimaziele erreicht werden können.
Der Stromsektor zieht weiterhin den größten Anteil der Gesamtinvestitionen an. Erneuerbare Energien machen dabei mittlerweile bereits rund 70 Prozent aller neuen Erzeugungskapazitäten weltweit aus. Bereits das fünfte Jahr in Folge waren auch im Jahr 2020 die Investitionsausgaben im Stromsektor höher als jene in der Öl- und Gasversorgung.
Im Vergleich zu vorher sind Investitionen in Erneuerbare Energien heutzutage um einiges effizienter. Die IEA gibt dazu ein plastisches Beispiel: Dank stark sinkenden Kosten bringt heutzutage ein Dollar, der in Wind- oder Solarenergie investiert wird, viermal so viel saubere Energie ein, wie ein Dollar, der vor zehn Jahren für dieselben Technologien ausgegeben wurde.
Investitionen in Erneuerbare Energien sind besonders erfolgreich in den Märkten, die sich auf gut etablierte Lieferketten und klar definierte Regelungen stützen. Dadurch sind Kosten und Erträge gut kalkulierbar, was wiederum Vertrauen bei Investoren schafft. Vielen Entwicklungsländern fehlen jedoch diese Voraussetzungen und die Möglichkeit, Investitionsprogramme zu Erholung der Wirtschaft zu verfolgen. In diesen Ländern, stellt die IEA fest, werden die Investitionen deshalb weiterhin unter dem Vorkrisen-Niveau bleiben.
Obwohl die Entwicklungsländer – China ausgeschlossen – zwei Drittel der Weltbevölkerung ausmachen, stellen sie nur ein Drittel der weltweiten Energieinvestitionen und sogar nur ein Fünftel der Investitionen in saubere Energie dar. Zum Beispiel werden die Ausgaben für Energieeffizienz 2021 um fast 10 Prozent ansteigen, sie konzentrieren sich aber hauptsächlich auf Märkte und Sektoren, für die klare staatliche Vorgaben existieren und in denen Investitionen auch gefördert werden. Diese Aufteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, so warnt die IEA, „stellt einen starken Bruch“ bei der globalen Energiewende dar.
Laut der IEA bleiben die Ausgaben für saubere Energietechnologien insgesamt weit hinter dem zurück, was für die Bekämpfung des Klimawandels erforderlich wäre. So wird zwar erwartet, dass die Investitionen in saubere Energien in diesem Jahr noch um 7 Prozent steigen werden. Um den globalen Temperaturanstieg jedoch auf 2°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, müssten sie sich im Laufe der 2020er Jahre aber verdoppeln. Eine Verdreifachung wäre sogar notwendig, um die Klimaerwärmung bei 1,5 °C zu begrenzen.
Besonders herausfordernd ist es, den Wandel in den unterschiedlichen Bereichen und Sektoren zu koordinieren, schreibt die IEA. Dazu gehört auch ein hohes Risiko für Ungleichgewichte bzw. Schieflagen. So müssen beispielsweise Investitionen in Stromnetze mit dem Ausbau von Wind- und Solarenergie Schritt halten können, um Engpässe beim Wachstum der sauberen Energieversorgung zu vermeiden.
Auch wenn der Anstieg nachhaltiger Finanzierungen eine positive Entwicklung ist, gibt es momentan mehr Kapital, das nach Investitionen sucht, als dass es saubere Energieprojekte gibt, in die investiert werden kann. Um dieses überschüssige Kapital an die richtigen Stellen zu lenken, zum Beispiel als Investition in neue technologische Innovationen, besteht noch weiterer Handlungsbedarf.
Das Problem von Ungleichgewichten ist nicht auf die neuen Energietechnologien beschränkt. So stellt die IEA fest, dass sich das Gleichgewicht auch bei Investitionen in fossile Brennstoffe hin zu staatlichen Unternehmen verschiebt. Außerdem reduzieren die großen Ölgesellschaften ihre Investition im sogenannten Upstream-Geschäft, also in Exploration und Förderung. So ist der Anteil der Upstream-Ausgaben von fast 40 Prozent Mitte der 2010er Jahre auf heute nur noch 25 Prozent gesunken. Im Gegensatz dazu steigen ihre Ausgaben für Investitionen in saubere Energien – wenn auch von einem sehr bescheidenen Niveau aus. Im Jahr 2021 könnten sie wahrscheinlich mehr als 4 Prozent ihrer Gesamtausgaben ausmachen – im Jahr 2020 waren es nur 1 Prozent.
Nichtsdestotrotz werden die Investitionen in die Brennstoffversorgung weiterhin von fossilen Brennstoffen dominiert, wobei nur 1,3 Prozent für kohlenstoffarme Brennstoffe ausgegeben werden Es besteht jedoch das Risiko, dass Öl- und Gasunternehmen schneller aus der Produktion fossiler Brennstoffe aussteigen als die Verbraucher aus der Nutzung dieser. Das wiederum stellt ein echtes Problem dar: Laut der IEA sind die Investitionen für Brennstoffe nicht hoch genug, um die aktuellen Trends beim Verbrauch fossiler Brennstoffe abzudecken. Gleichzeitig sind die Investitionen auch nicht ausreichend diversifiziert, um die Ziele für saubere Energien zu erreichen.