Der im Juni veröffentlichte Bericht „World Energy Investment 2022“ (Link in Englisch) der Internationalen Energieagentur (IEA) zeigt einen erfreulichen Anstieg der Investitionen in Erneuerbare Energien, aber auch eine Zunahme der geopolitischen Unsicherheit.
Die wichtigste Erkenntnis: Die Investitionen in die Energiewende sind zwar stabil, aber bleiben immer noch hinter dem zurückbleiben, was für eine CO2-neutrale Welt bis 2050 notwendig wäre. Zudem floss der Studie zufolge weniger Geld in fossile Energieträger, einschließlich Öl und Gas. Das hat zu einem Versorgungsmangel und steigenden Preisen geführt, die die Schwächsten der Gesellschaft am härtesten getroffen haben.
„Die Investitionen in saubere und erschwingliche Energie steigen zwar, aber noch nicht schnell genug, um einen Weg aus der heutigen Krise zu finden oder die Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf null zu senken“, so die IEA.
Laut der Agentur standen die Warnsignale für weltweite Energieinvestitionen bereits vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine auf „Rot“. Die aktuelle Situation verstärke die Unsicherheit nun weiter.
Dem Bericht zufolge werden die weltweiten Energieinvestitionen in diesem Jahr zwar voraussichtlich um acht Prozent auf 2,4 Billionen Dollar steigen und damit deutlich über dem Niveau vor der Covid-19-Pandemie liegen. Diese Entwicklung ist allerdings etwa zur Hälfte auf höhere Preise zurückzuführen. Denn die Kosten für Wind- und Solarenergie sind nach Jahren des Rückgangs um zehn bis 20 Prozent gestiegen.
Dennoch sind Wind- und Solarenergie laut den Experten aufgrund der ebenfalls stark gestiegenen Preise für fossile Brennstoffe nach wie vor die günstigsten Optionen für die Stromerzeugung. Die höheren Kosten – sowohl für Rohstoffe als auch für Kredite – bremsen aktuell jedoch Investitionspläne.
Nichtsdestotrotz nehmen die Investitionen in regenerative Energien weiter zu und machen fast drei Viertel des Wachstums der gesamten Energieinvestitionen aus. In den vergangenen Jahren sind vor allem die Ausgaben für den Energiesektor gestiegen. Geld floss insbesondere in den Ausbau der Kapazitäten für Erneuerbare, Netze und Technologien zur Effizienzsteigerung der Endverbraucher.
Fast die Hälfte dieser Neuinvestitionen entfiel auf die Photovoltaik, während sich die Ausgaben für die Windenergie auf den Offshore-Sektor verlagern, der 2021 ein Rekordjahr bei der Inbetriebnahme verzeichnete. Die Gelder für Batteriespeicher erreichten einen neuen Höchststand, und der Absatz von Elektrofahrzeugen hat sich 2021 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
Nach Angaben der IEA sind die Ausgaben im Stromsektor damit am ehesten auf einem nachhaltigen Pfad. Wenn das heutige Ausgabenniveau bis 2030 im gleichen Tempo wie in den vergangenen drei Jahren wächst, könnten die Klimaziele bis dahin erfüllt werden. Um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssten die Investitionen jedoch deutlich ansteigen.
Gleichzeitig haben fehlende Investitionen in die Versorgung mit fossilen Brennstoffe nach Ansicht der IEA zur derzeitigen Energiekrise beigetragen. Denn Öl- und Gasproduzenten stehen vor einem Dilemma, wenn es um Investitionen mit langer Laufzeit geht: Zwar wird jetzt ein größeres Angebot benötigt, später im Zuge der Energiewende aber möglicherweise nicht mehr. Das führe dazu, dass die Ausgaben für fossile Brennstoffe und für die Produktion von CO2-armen Brennstoffen insgesamt unter dem Niveau vor der Pandemie blieben.
Trotzdem hat die Energiekrise neue Kapitalanlagen generiert. So stiegen etwa die Investitionen in die Kohleversorgung 2021 um zehn Prozent und werden 2022 voraussichtlich um den gleichen Betrag steigen.
Auch der Einmarsch Russlands in der Ukraine macht einige neue Investitionen in fossile Energieträger notwendig, einschließlich neuer LNG-Infrastrukturen. Und das in einer Welt, die auf eine Netto-Null-Zukunft hinarbeitet, so die Agentur. Sie warnt, dass „die dauerhaften Lösungen für die heutige Krise in der Beschleunigung des Übergangs zu grüner Energie durch größere Investitionen in Effizienz, regenerative Elektrizität und eine Reihe von nachhaltigen Brennstoffen liegen“.
Und noch eine Entwicklung bereitet den Autoren Sorgen: Das meiste Geld für regenerative Energien fließt in fortgeschrittene Volkswirtschaften und China. Dadurch bestünde die Gefahr, dass neue Trennlinien zwischen Ländern und Regionen entstehen.
Die Ausgaben für Erneuerbare in den Schwellen- und Entwicklungsländern, mit Ausnahme Chinas, sind auf dem Niveau von 2015 stehengeblieben. Gleichzeitig schmälern höhere Zinssätze die Kaufkraft von Regierungen und Verbrauchern und wirken sich auf die Kosten für Technologien der Erneuerbaren aus.
In einer ihrer eindringlichsten Warnungen erklärt die IEA: „Es besteht die reale Gefahr, dass die heutige Energiekrise Millionen Menschen zurück in die Energiearmut treibt. […] Die Beschleunigung von Investitionen in allen Aspekten der Energiewende in den Entwicklungsländern muss eine der obersten Prioritäten sein, auch für die internationalen Finanzinstitutionen, ihre Geber, die multilateralen Entwicklungsbanken und viele andere Akteure.“