Eine sichere und stabile Stromversorgung rund um die Uhr ist in vielen Gegenden von Afrika noch immer keine Selbstverständlichkeit. Und sogar rund 600 Millionen Afrikaner und Afrikanerinnen leben noch komplett ohne Strom, das sind gut 40 Prozent der Bevölkerung des Kontinents. Mit vergleichsweise geringen Investitionen könnte sich das ändern, erklärt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem kürzlich veröffentlichten Report Africa Energy Outlook 2022.
Der Bericht zeigt mit dem Sustainable Africa Scenario (SAS) auf, wie in Afrika bis zum Jahr 2030 ein umfassendes Stromnetz entstehen könnte. Gespeist werden soll es hauptsächlich durch Strom aus Erneuerbaren Energien. Die Ressourcen, um ausreichend grünen Strom zu produzieren, sind im großen Maße vorhanden, so der Report. Vor allem Solar- aber auch Windenergie stellen den Schlüssel für eine sichere und nachhaltige Stromversorgung dar. Die afrikanischen Staaten müssten, so die Experten, mit klaren Strategien und Maßnahmen den Ausbau der Erneuerbaren und der Stromnetze ermöglichen. Außerdem müsste die internationale finanzielle Unterstützung ausgebaut werden.
Jährliche Investitionen in Höhe von rund 25 Milliarden Dollar sind laut den Autoren der Studie notwendig, um bis zum Jahr 2030 der afrikanischen Bevölkerung flächendeckend den Zugang zu Strom zu ermöglichen. Das würde gerade einmal einem Prozent der aktuellen Energieinvestitionen im Jahr weltweit entsprechen und sei laut den IEA-Experten in etwa vergleichbar mit den Kosten für den Bau eines großen Flüssigerdgas-Terminals. Doch auch wenn die Investitionssumme im Vergleich eher gering erscheint, ist der Kontinent laut Studie auf stärkere internationale Unterstützung angewiesen.
Von den 25 Milliarden Dollar würden mehr als 22 Milliarden in den Ausbau der Stromversorgung – Netzinfrastruktur, Kraftwerke und netzunabhängige Lösungen fließen. Und etwa 2,5 Milliarden Dollar wären für Investitionen in die Verbreitung moderner Kochgeräte vorgesehen, denn viele Menschen kochen nach wie vor mit Dung, Holz oder Holzkohle. Laut der IEA wäre mit den Investitionen in das Stromsystem das Fundament gelegt, damit Afrika seine Stromerzeugungskapazitäten bis 2030 von jährlich 260 Gigawatt (GW) auf 510 GW fast verdoppeln könnte.
Gespeist werden könnte das ausgebaute Stromnetz hauptsächlich aus Erneuerbaren Energien. Denn das Potenzial ist riesig: Afrika verfügt über 60 Prozent der besten Flächen für Solarenergie weltweit, jedoch ist nur etwa ein Prozent der global installierten Solar-Kapazität auf dem Kontinent zu finden. Der Ausbau des Energieträgers ist demnach der Schlüssel für Afrikas nachhaltige Entwicklung.
Dass Afrika beim Ausbau der Erneuerbaren das Schlusslicht unter den Kontinenten ist, hat unter anderem mit fehlender staatlicher Unterstützung und mangelnder Finanzierung zu tun. Denn viele Staaten und Unternehmen verfügen über wenig finanzielle Ressourcen. Die Covid-19 Pandemie sowie die steigenden Energie- und Rohstoffpreise haben zudem die finanziellen Probleme vieler afrikanischer Länder noch weiter verschärft.
Zusammen könnten Erneuerbare Energieträger wie Wasser, Sonne, Wind oder Erdwärme bis 2030 fast 80 Prozent der neu geschaffenen Kapazitäten ausmachen. In diesem Szenario würden die Investitionen in den Bau neuer Kohlekraftwerke schnell sinken: Sobald die derzeit im Bau befindlichen Kohlekraftwerke fertiggestellt seien, würden in Afrika keine neuen Kraftwerke gebaut. Würden die Investitionen, die ursprünglich für diese Kohlekraftwerke vorgesehen waren, in die Photovoltaik umgelenkt, könnten sie bereits die Hälfte der Kosten für den gesamten Ausbau der afrikanischen Photovoltaikkapazitäten bis 2025 decken.
Auch grüner Wasserstoff könnte eine Schlüsselrolle für Afrikas Energiewende spielen. Das Potenzial ist dank der erneuerbaren Ressourcen enorm, so der Bericht. Aktuell wird Wasserstoff hauptsächlich zur Herstellung von Düngemitteln auf Basis von Ammoniak genutzt, doch dieser Wasserstoff wird meist aus Erdgas oder Kohle gewonnen, so die IEA.
Einige kohlenstoffarme Wasserstoffprojekte in Ägypten, Mauretanien, Marokko, Namibia und Südafrika sind bereits in Planung. Durch global sinkende Kosten für die Wasserstoffproduktion könnte Afrika bis 2030 bereits 5000 Megatonnen Wasserstoff pro Jahr zu einem Preis von weniger als zwei US-Dollar pro Kilogramm produzieren. Dieser könnte dann laut den Experten auch nach Nordeuropa exportiert werden.
Der Report zeigt es deutlich: Mit vergleichsweise niedrigen Investitionen in den Ausbau der Stromnetze und der Erneuerbaren Energien könnte Afrika den Weg in eine nachhaltige Entwicklung einschlagen. Und später könnte die Staaten grünen Wasserstoff dank guter Bedingungen günstig produzieren und ins Ausland verkaufen.
Um ein umfassendes nachhaltiges Energienetz, wie es das SAS beschreibt, zu erreichen, muss der Kontinent also noch einigen Hürden überwinden. In erster Linie in finanzieller Hinsicht: Für die Umsetzung des Szenarios müssen die Energieinvestitionen in Afrika bis 2030 verdoppelt werden.