Nachdem das irische Parlament am 23. März ein ambitioniertes Klimagesetz verabschiedete, hat die Regierung am 1. Juli das Gesetz über die Planung von Meeresgebieten (Maritime Area Planning Bill, MAP) veröffentlicht und einen nationalen Meeresplanungsrahmen initiiert. Diese Maßnahmen soll das westeuropäische Land auf den Weg zu Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 entscheidend voranbringen – denn insbesondere Offshore-Windenergie spielt eine zentrale Rolle in den irischen Klimaplänen.
Irland ist nicht nur mit kräftigem Niederschlag und fruchtbaren Land gesegnet, sondern verfügt, aufgrund seiner Lage am nordwestlichen Rand Europas, auch noch über ein enormes Windpotenzial. Das Land hat seine Vorteile in diesem Bereich schnell genutzt. Im Jahr 2020 verfügte Irland bereits über eine Onshore-Windkraftkapazität von rund 4,2 Gigawatt (GW), die etwa 30 Prozent der Stromversorgung des Landes ausmachte – einer der höchsten Anteile von Winderzeugung weltweit. Allerdings scheint es so, als wäre dies nur der Startpunkt der Reise.
Irland ist momentan sehr stark von Energie-Importen abhängig. Die starken Windkräfte vor seinen Küsten hat es aber noch nicht aktiv genutzt. Bisher wurden erst 25,2 Megawatt (MW) an Offshore-Windrädern vor der irischen Küste installiert. Laut der Energie-Roadmap (Link auf Englisch) der irischen Behörde für nachhaltige Energie (Sustainable Energy Authority of Ireland, SEAI) könnte Irland jedoch bis 2050 über eine Offshore-Windkraft von 30 GW verfügen. Das wäre ungefähr doppelt so viel wie das Ausbauziel für die Onshore-Windkraft, das bei 11-16 GW liegt.
Die SEAI schätzt, dass bis 2030 durch allein Offshore-Windkraft genug Strom geliefert werden könnte, um das ganze Land zu versorgen. Dafür gibt es einige Gründe. Im Vereinigten Königreich wurde beispielsweise im vergangenen Jahr mit einer Kapazität von etwa 12 GW Offshore-Windkraft 31,9 Terawattstunden (TWh) Energie erzeugt. Irlands gesamte Stromerzeugung im Jahr 2019 lag bei 30,7 TWh.
Auf dieser Grundlage basierend, könnte Irland nach Schätzungen der SEAI fast das Dreifache seines derzeitigen Strombedarfs aus Offshore-Windkraft erzeugen. Mehr als das Vierfache, wenn auch Onshore-Windkraft mit einbezogen wird.
Dies würde zu einer vollständigen Umgestaltung des irischen Energiesystems führen, wie sie bereits im März in einer vom Forschungszentrum MaREI veröffentlichten Studie (Link auf Englisch) beschrieben wurde. Dieser Vision zufolge würde sich die Stromerzeugung in Irland bis 2050 vervierfachen, die Kapazität der Erneuerbaren verfünffachen und die Abhängigkeit des Landes von importierten Brennstoffen von heutigen 70 Prozent auf gerade mal 5 Prozent sinken – das Land würde zum ersten Mal in seiner Geschichte selbst zum Nettoenergieexporteur werden.
Im Klimaaktionsplan von 2019 wurde ein Offshore-Windkraft Ziel mit einem Minimum von 3,5 GW bis 2030 festgesetzt. Allerdings hat die Regierung in ihrem am 29. Oktober 2020 veröffentlichten Regierungsprogramm (Link auf Englisch) ein neues Ziel von 5 GW festgelegt. Das sollte unter der Bevölkerung eine große Beliebtheit erlangen. Eine im Mai 2020 von MaREI durchgeführte Umfrage ergab eine überwältigende öffentliche Unterstützung von 93 Prozent für Offshore-Windparks in irischen Gewässern.
Die Dynamik in diesem Sektor nimmt mehr und mehr zu. Im letzten Jahr hat die Regierung sieben Offshore-Windprojekte als sogenannte „relevante Projekte“ eingestuft – das beinhaltet ein effektives Schnellverfahren, das es ermöglicht, einen Bauantrag im Rahmen des MAP zu stellen. Das Gesetz zielt darauf ab, ein einheitliches, staatliches Genehmigungssystem für das gesamte irische Meeresgebiet zu schaffen. Und es sieht vor, dass die Entwickler von Offshore-Windparks eine einzige Umweltverträglichkeitsprüfung beantragen können.
Zwei der führenden Projekte in Irland werden von RWE Renewables zusammen mit dem irischen Partner Saorgus Energy Ltd. entwickelt: Die beiden Windparks Bray Offshore und Kish Offshore Wind bilden das Windparkprojekt Dublin Array, das eine Kapazität von 600 bis 900 MW haben wird. Die Windräder werden in flachen Gewässer von zwei bis 30 Metern Tiefe installiert, die etwa zehn Kilometer vor der Küste liegen. Insgesamt werden mehr als eine Milliarden US-Dollar investiert.
Die erste von drei Auktionen für Offshore-Windparks wird noch in diesem Jahr erwartet. Erfolgreiche Bieter werden einen Differenzvertrag erhalten, der ihnen Einnahmesicherheit über einen Zeitraum von 15 Jahre bietet.
Das irische Offshore-Potenzial ist jedoch so groß, dass es andere Fragen aufwirft: Wie können diese enorme Ressourcen ins nationale Stromnetz integriert werden? Und kann Irland diese saubere, nachhaltige Energie in andere europäische Länder exportieren?
Daher haben sich das irische Ministerium für Umwelt, Klima und Kommunikation (Irish Department of the Environment, Climate and Communications, DECC) und der irische Übertragungsnetzbetreiber EirGrid darüber abgestimmt, wie das irische Stromnetz weiter entwickelt werden sollte. Nach Angaben von EirGrid könnten 1,5 GW ohne nennenswerte Erweiterungen der Übertragungskapazitäten an der irischen Ostküste installiert werden. Für das angestrebte Ziel von 5 GW wären jedoch zusätzliche Verstärkungen des Onshore-Netzes erforderlich.
Im Mai veröffentlichte die Regierung einen Rahmen für das Offshore-Stromübertragungsnetz des Landes, der den Ausbau der Kapazitäten für Erneuerbare unterstützen soll. Diese Politik verfolgt einen stufenweisen Ansatz: In einer ersten geplanten Auktionsrunde für neue Offshore-Kapazitäten sollen die Entwickler der Windparks selbst für die Anbindung an das Stromnetz an Land verantwortlich sein, während EirGrid erst ab der dritten Runde die Verantwortung übernehmen wird.
Andere Entwicklungen des Netzes bieten sogar noch mehr Potenzial: Die Irische Insel verfügt bereits über zwei 500-MW-Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen mit dem Vereinigten Königreich – die Ost-West-Verbindungsleitung zwischen Irland und Wales und die Moyle Verbindungsleitung, die Nordirland mit Schottland verbindet. Das Vereinigte Königreich verfügt an seiner Ostküste wiederum über noch größere Weiterleitungskapazitäten in andere europäische Länder.
Eine neue Verbindungsleitung mit dem Namen „Greenlink“ (Seite auf Englisch) befindet sich derzeit in Entwicklung. Natural Resources Wales genehmigte im März den Antrag für Meereslizenzen für das Projekt. Auch zwei Planungsgenehmigungen wurden von den lokalen britischen Behörden im vergangenen Jahr erteilt. Die Verbindung soll 2023 in Betrieb genommen werden und wird dadurch eine zusätzliche Export-/Importkapazität von 500 MW zwischen dem britischen und dem irischen Strommarkt schaffen.
Ein weiteres Projekt – die 700-MW-Verbindungsleitung Celtic Interconnector – befindet sich ebenfalls in der Entwicklung. Das Projekt erhielt Förderung durch die EU als ein Projekt von gemeinsamen Interesse. Mit dieser Leitung würde erstmals Strom von Irland über eine 500 Kilometer lange Unterwasserleitung nach Frankreich geleitet werden. EirGrid wird voraussichtlich in diesem Sommer eine Baugenehmigung beantragen.
Wenn beide Projekte anlaufen, wird sich die irische Exportkapazität für die gesamte Insel auf 2,2 GW erweitern. Das stellt nicht nur eine wichtige Grundlage für den Ausbau der Offshore-Windenergie dar, sondern erhöht auch die Flexibilität des Systems mit Energieschwankungen umzugehen. Außerdem schafft es potenziell eine neue Einnahmequelle für die irische Wirtschaft durch den Export sauberer Energie in große europäische Volkswirtschaften.