Lange war es nicht mehr als eine geniale Idee. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU wurde die Technik bereits erwähnt. Und als in der entscheidenden Sitzung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ Ende Januar nicht mehr viel voran ging, waren die Anlagen angeblich ein wichtiger Bestandteil des gefundenen Kompromisses: Wärmespeicherkraftwerke könnten die Technologie sein, die erneuerbare und fossile (Energie-)Welt miteinander verbindet.
Zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der FH Aachen macht RWE Power nun einen ersten Schritt in diese neue Welt: Im Rheinischen Revier plant das Trio ein Pilotprojekt zur Energiespeicherung auf Flüssigsalz-Basis. Dazu soll ein bestehendes Kohlekraftwerk zu einem Wärmespeicherkraftwerk (WSK) umgerüstet werden. Auf diese Weise entstehen Zukunftsmodelle, die auch nach dem Ende der Kohleverstromung für Versorgungssicherheit sorgen können.
In den großen Solarkraftwerken Südeuropas, die mit konzentriertem Sonnenlicht arbeiten, ist Flüssigsalz als Energieträger schon lange im Einsatz. Kein Wunder: Wärme ist mit Salz dreimal effizienter speicherbar als mit Wasser. Und so funktioniert’s bei Kohlekraftwerken: Mit überschüssiger Energie wird Salz in einem elektrischen Erhitzer auf bis zu 560 Grad Celsius aufgeheizt, es verflüssigt sich und wird in Tanks gespeichert. Bei Energiebedarf wird die Salzschmelze aus dem heißen Tank über einen Dampferzeuger in einen kälteren gepumpt. Der dabei erzeugte Dampf wird zur Stromerzeugung in den Turbinenkreislauf des Kraftwerkblocks eingespeist. Dort ersetzt er einen Teil der ansonsten mit Kohle erzeugten Dampfmenge.
Als Hybrid-Kraftwerk wird das WSK zunächst mit erneuerbarem Strom und mit Kohle parallel betrieben. Das steigert nicht nur die Flexibilität der Anlage. Gleichzeitig entkoppelt sich die Produktion von grünem Strom von ihrer Einspeisung. So verwandelt sich volatile Öko-Energie in gesicherte Leistung. Wind, Photovoltaik und Co. könnten – wie fossile Kraftwerke – einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten.
Dies ist allerdings nur der erste Schritt: Mit dem fortschreitenden Ausbau der Erneuerbaren Energien und dem jüngst beschlossenem – allerdings noch zu konkretisierenden und gesetzlich festzulegenden – schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung kann die Kapazität des Wärmespeichers erweitert, der Einsatz von Braunkohle hingegen verringert werden. Nach dem kompletten Auslaufen des Einsatzes fossiler Brennstoffe kann das WSK dann vollständig mit Erneuerbaren Energien betrieben werden.
„Thermische Speicher bieten das Potenzial, ideale Energiespeicher im Gigawattstunden-Maßstab zu sein“, unterstreicht Prof. Dr. André Thess, Direktor des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik. „Wir brauchen leistungsstarke Energiespeicher mit hohem Wirkungsgrad. Sie sind von existentieller Bedeutung für ein zukünftiges Energiesystem aus Basis erneuerbarer Energien.“ Nur mithilfe der Speicherung könnten die starken Schwankungen bei der Produktion umweltfreundlicher Wind- und Solarenergie ausgeglichen und die ebenfalls hochdynamische Nachfrage nach Energie gedeckt werden. Bedarf und Produktion kämen so ins Gleichgewicht.
Die Idee kommt auch in der Politik gut an. Das Land NRW unterstützt den Projektvorschlag und hat ihn als Leitprojekt in das Sofortprogramm „Das Rheinische Zukunftsrevier“ aufgenommen. Für die Planungsarbeiten zur ersten Anlage dieser Art stellt NRW im Rahmen seines Förderprogramms „progress.nrw“ 2,9 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem beabsichtigen die Projektpartner, eine Förderung durch den Bund für die Realisierung zu beantragen.
„Das geplante Wärmespeicherkraftwerk ist ein herausragendes Leitprojekt für das Rheinische Zukunftsrevier“, weiß Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie in Nordrhein-Westfalen. „Es werden wichtige Impulse für Wertschöpfung und Beschäftigung in der vom Strukturwandel betroffenen Region gegeben.“
Das große Potenzial sowohl für Energiewende wie auch für den Strukturwandel im Rheinischen Revier sieht auch Lars Kulik, Vorstandsmitglied von RWE Power: „Wenn sich die Technik bewährt, könnten Wärmespeicher dazu beitragen, dass unsere Kraftwerksstandorte in der Region auch nach Ende der Kohleverstromung eine wichtige Rolle in der Energieversorgung spielen.“
Das geplante Wärmespeicherkraftwerk ist ein herausragendes Leitprojekt für das Rheinische Zukunftsrevier. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie in Nordrhein-Westfalen
Die Chancen dafür stehen gut, denn diese Art von Anlagen besitzen noch ein weiteres großes Plus: Bestehende Kraftwerksinfrastruktur wie beispielsweise Netzanschlüsse und Turbinen können weitergenutzt werden. Das senkt die Ausgaben. Nur die Zulieferung des Rohstoffs und die Speicher ändern sich. Indem die Infrastruktur aus dem „ersten Leben“ der Kraftwerke zu großen Teilen übernommen wird, spart der Umbau enorme Kosten und Arbeitsplätze können erhalten werden.
Das Ziel von RWE Power, DLR und FH Aachen ist klar: Bau und Betrieb der Pilotanlage sollen Flüssigsalz-Wärmespeicher einem umfassenden Praxistest unterziehen. Welches Kraftwerk konkret dafür ausgewählt wird, steht noch nicht fest. Es wird aber im Rheinischen Revier liegen. Anfang der 2020er Jahre könnte nach derzeitiger Planung mit dem Bau der Anlage begonnen werden.