Synthetische Kraftstoffe gelten als ein Schlüssel zum klimaneutralen Straßenverkehr. Diese „E-Fuels“ sind gasförmige oder flüssige Energieträger wie zum Beispiel Methan oder Diesel, die anstelle fossiler Kraftstoffe eingesetzt werden. Sie werden in mehreren Schritten aus ohnehin vorhandenem CO2 gewonnen; dadurch bleibt die CO2-Bilanz – wie bei Biokraftstoffen – neutral, obwohl das Klimagas beim Fahren dann in die Atmosphäre entweicht.
In Niederaußem „wäscht“ RWE seit 2009 Kohlendioxid aus den Rauchgasen des dortigen Kraftwerks. Nun nimmt der Essener Stromproduzent eine neue Forschungsanlage in Betrieb, die aus dem gewonnenen CO2 Methanol herstellt. An dem Projekt „MefCO2“ sind neun Partner aus sieben europäischen Ländern beteiligt– darunter Industrieunternehmen, Universitäten und Forschungsinstitute. Insgesamt fördert die Europäische Union das Projekt mit 8,6 Millionen Euro.
Im Gegensatz zu Ethanol – umgangssprachlich „Alkohol“ genannt – ist Methanol (Methylalkohol) ungenießbar. Eine begehrte Chemikalie ist es trotzdem, unter anderem weil es – ähnlich wie Ethanol im E10-Benzin – Dieselkraftstoffen beigemischt werden kann.
Weltweit werden pro Jahr fast 100 Millionen Tonnen Methanol zu verschiedenen Zwecken hergestellt. Rund 16 Prozent davon werden als Treibstoffzusatz verwendet. Bisher wird es allerdings vor allem aus Erdgas und Kohle hergestellt. Ein Gewinn für das Klima ist das kaum.
Wie das anders funktionieren kann, wird in Niederaußem erforscht: Hier wird Methanol aus Kohlendioxid hergestellt, das bei der Verbrennung entsteht – ein Prinzip, dass auch auf andere Kraftwerke, Müllverbrennungsanlagen und Industrieanlagen übertragbar ist. Diese CO2-Abscheidung und -Verwendung – auch in Deutschland oft CCU (von engl.: Carbon Capture and Utilization) genannt – verwendet also Klimagas, das anderweitig ungenutzt in die Atmosphäre entweichen würde.
Die Abtrennung und Nutzung von CO2 kann so im Zusammenspiel mit den Erneuerbaren Energien nicht nur helfen, die Kohlendioxid-Emissionen zu senken – Kohlendioxid wird selbst zu einem Rohstoff. Reinhold Elsen, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei RWE Power
Um aus dem Kohlendioxid Methanol zu machen, muss es mit Wasserstoff angereichert werden: H2 wird durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen. Der dafür nötige Strom kommt schon heute teilweise aus Erneuerbaren Energien. Das Verfahren gilt als vielversprechende Möglichkeit, die Wetterabhängigkeit der Wind- und Solarstromproduktion zu überwinden: „Die Abtrennung und Nutzung von CO2 kann so im Zusammenspiel mit den Erneuerbaren Energien nicht nur helfen, die Kohlendioxid-Emissionen zu senken“, betont Reinhold Elsen, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei RWE Power. Durch chemische Umwandlung werde Strom aus regenerativen Quellen auch über lange Zeiträume speicherbar, „und Kohlendioxid wird selbst zu einem Rohstoff.“
Die Herstellung synthetischer Kraftstoffe gilt vielen Fachleuten als wichtige Technologie, um den Straßenverkehr klimaneutral zu machen. Allein durch E-Mobilität dürfte das im vorgesehen Zeitrahmen kaum zu erreichen sein: Bis 2030, hat die EU beschlossen, soll etwa der LKW-Verkehr seine Emissionen um 30 Prozent senken. Derzeit gibt es jedoch – insbesondere für den Schwer- und Fernlastverkehr – keine praxistauglichen Akkus. Auch eine entsprechende Infrastruktur fehlt – sowohl zum Laden von Akkus als auch zum Tanken von Wasserstoff für Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb. CCU-Treibstoffe wie Ethanol und Methanol können dagegen über bestehende Infrastrukturen, nämlich ganz normale Tankstellen, vertrieben werden.
Praktisch jedes herkömmliche Fahrzeug mit Verbrennungsmotor kann mit ihnen emissionsärmer fahren – ob PKW oder LKW. Ein Vorteil von Methanol gegenüber Ethanol: Der Trinkalkohol im Benzin wird meist aus Pflanzen gewonnen, die mit der Nahrungsmittelproduktion um Anbauflächen konkurrieren.
Letztendlich werden die politischen Weichenstellungen für die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten dieses Verfahrens entscheidend sein. Reinhold Elsen, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei RWE Power
Die Testanlage wird eine Kapazität von einer Tonne pro Tag habe – damit wird sie eine der größten Demonstrationsanlagen dieser Art in Europa sein. Allerdings – gibt Reinhold Elsen zu bedenken – könne mittels Kohlendioxid-Abtrennung hergestelltes Methanol derzeit preislich nicht mit dem aus Erdöl oder Erdgas konkurrieren: „Letztendlich“, meint Elsen, „werden die politischen Weichenstellungen für die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten dieses Verfahrens entscheidend sein.“