Drei bis vier Millionen Wohnungen in Deutschland kommen nach unterschiedlichen Analysen für Mieterstrom infrage. Von Mieterstrom spricht man, wenn ein Hauseigentümer selbst Strom erzeugt und an seine Mieter verkauft. Als wichtigste Erzeugungsart wird Photovoltaik gehandelt. Aber auch Blockheizkraftwerke (BHKW) werden eingesetzt, die neben Strom auch Wärme liefern.
Mieterstrom wird seit einigen Jahren als wichtige Komponente der Energiewende verstanden: Nicht nur weil dezentrale Erzeugung die Stromnetze entlasten soll, sondern auch um die Nutzung emissionsarmer Energie voranzutreiben. Obwohl die Bundesregierung Solarpanele für Mieterstrom unter bestimmten Bedingungen fördert, sind Genossenschaften und Wohnungsbauunternehmen bisher weit davon entfernt, Mieterstrom flächendeckend zum Geschäftsmodell zu erheben.
Tatsächlich sind die Zahlen ernüchternd, wie das Handelsblatt berichtet. Nach Informationen der Bundesnetzagentur waren bis Juni 2019 Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von knapp 15 Megawatt (MW) gemeldet, die von dem 2017 eingeführten Mieterstromzuschlag des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) profitieren. Zur Einordnung: Photovoltaikanlagen mit einer Spitzenleistung von 15 MW produzieren in einem Jahr etwa weniger als 14 Megawattstunden (MWh) Strom. Statistisch entspricht das dem heimischen Stromverbrauch von etwa 10.000 Menschen. Die festgelegte Obergrenze von 500 MW ist sehr weit entfernt.
Im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hatte man sich deutlich mehr erhofft. „Leider ist der Zubau im Bereich des Mieterstroms bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, zitiert das Handelsblatt das BMWi. Das Ministerium arbeitet laut dem Artikel an einem Bericht, der die Gründe für mangelnde Resonanz untersucht und der dem Bundestag bis Ende September vorgelegt werden soll.
Derzeit ist Mieterstrom trotz Fördermöglichkeiten eher etwas für die Überzeugungstäter unter den Immobilieneigentümern als für die kühlen Rechner, meint Ingrid Vogler, Energiereferentin beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Die Wirtschaftlichkeit der Anlagen selbst sei dabei nicht das Hauptproblem.
„Das Energierecht ist derart komplex, dass Wohnungsbaugesellschaften oder -genossenschaften entweder eigene Experten einstellen müssen, um Mieterstrom anzubieten, oder externe Dienstleister beauftragen müssen.“ Ingrid Vogler, Energiereferentin beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen
Zwar gebe es zunehmend Start-Ups, die vergleichsweise schlanke Lösungen anböten, sagt Vogler. Und kommunale Wohnungsunternehmen würden von Stadtwerken unterstützt. Doch zu den energierechtlichen Problemen können sich steuerrechtliche gesellen, wenn zum Beispiel Unternehmen und Genossenschaften plötzlich Gewerbesteuer auf Mieten abführen müssen, weil sie Umsatz mit dem Verkauf von Strom erzielen. Dass die Bundesregierung den Spielraum Ende Juni für Vermietungsgenossenschaften, die PV-Anlagen bauen, vergrößert hat, sei sicher eine punktuelle Erleichterung, sagt Vogler, aber keine Lösung: „Statt einzelner Maßnahmen brauchen wir einen rechtlichen Rahmen, der Mieterstrom für alle möglich und betriebswirtschaftlich attraktiv macht.“ Zum Beispiel fordert die Branche, den Betrieb einer PV-Anlage im Gewerbesteuergesetz dem Betrieb einer Heizung gleichzustellen.
Cord Müller kennt die Hürden bei der Umsetzung von Mieterstromverträgen. Als Geschäftsführer von EC Power vertreibt er BHKW deutschlandweit: „Betreiber ohne Detailwissen hierfür sollte das aber nicht abschrecken, denn mit kompetenten Dienstleistern lässt sich das gut bewerkstelligen.“
Doch auch BHKW rentieren sich derzeit nur dank Fördermitteln nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der große Preisrutsch, den es in den letzten Jahren bei der Photovoltaik gab, bei BHKW noch aussteht, insbesondere weil die Auftragslage bisher keine Massenproduktion zulässt. Immerhin kostet ein Aggregat für ein Sechs-Parteien-Haus inklusive Einbau um die 25.000 Euro.
Dennoch, sagt Müller, könnten sich selbst solche Mini-BHKW – je nach Auslastung und Installationsaufwand – schon nach vier Jahren amortisieren. Die Wärmelieferung kann ein Vermieter über den Mietvertrag vereinbaren, das erhöht seine Planungssicherheit. Beim Strom darf die Laufzeit wie bei anderen Versorgern maximal zwei Jahre mit automatischer Verlängerung um ein Jahr betragen.
Auch wenn es ohne die bestehenden Förderungen wohl praktisch keinen Mieterstrom in Deutschland geben würde, sind sie nicht, was sich GdW-Referentin Vogler wünschen würde: „Nicht die Förderung, sondern die Wirtschaftlichkeit sollte den Ausschlag für eine Investition geben.“ Und mit einfacheren Rahmenbedingungen, ist sie überzeugt, wäre das auch möglich. Dann nämlich würden die Anlagen – ob mit Solar- oder Gaskraft – dem System auch noch zur Verfügung stehen, wenn die Förderung ausläuft.
Mit dem Mieterstromgesetz fördert der Bund ausschließlich Photovoltaik-Anlagen mit einer Kapazität von maximal von 100 Kilowatt (kWp). Für vor Ort verbrauchten Strom erhält der Anlagenbetreiber zwischen 2,2 und 3,8 Cent je Kilowattstunde (kWh) – allerdings nur dann, wenn einige Bedingungen erfüllt sind: Insbesondere darf ein Vermieter keinen Mieter zur Abnahme des Mieterstroms verpflichten, zum Beispiel indem er dies zur Bedingung für einen Mietvertrag macht. Außerdem darf der Strompreis maximal 90 Prozent des örtlichen Grundversorgungstarifs betragen.
Die Förderung für BHKW basiert nicht auf dem Mieterstromgesetz, sondern auf dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Höhe und Dauer der Förderung hängen von der elektrischen Leistung (kWel) der Anlagen ab. Sie kann bis zu acht Cent pro kWh betragen. Bei Mini-BHKWs gibt es zudem Investitionszuschüsse. Die Bundesanstalt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) verwaltet die Förderungen und stellt im Netz eine Übersicht bereit.
Übrigens: Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (kurz: KfW) fördert PV-Anlagen und BHKWs mit Förderkrediten.
So könnten Blockheizkraftwerke integraler Bestandteil nachhaltiger Quartierkonzepte werden, erklärt Vogler. Und Experten schätzen, dass bis zu 3,8 Millionen Wohnungen in Deutschland mit Mieterstrom versorgt werden könnten. Zudem könnte die Mieterstrom-Förderung auch die Energiewende voranbringen. Windparks und Freiflächen-Photovoltaikanlagen werden vor allem auf dem Land gebaut, verbraucht wird der Strom aber vor allem in den Städten. Durch mehr Stromerzeugung in den Städten, könnten die Stromnetze entlastet werden.
„Derzeit liegt hier ein riesiges Potenzial zur emissionsarmen Energieversorgung brach.“ Ingrid Vogler, GdW-Referentin
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