Die Wasserstoffproduktion ist schnell zu einem zentralen Ziel der Energiewende in Europa geworden. Derzeit wird das Gas meist aus Erdgas oder als Nebenprodukt von Raffinerieprozessen hergestellt – beides ist mit erheblichen Kohlenstoffemissionen verbunden. Entsprechend besteht ein dringender Bedarf, die Produktion gleichzeitig zu steigern und nachhaltiger zu machen. NortH2 ist ein ehrgeiziges Projekt, das genau das erreichen will, indem es Offshore-Windkraft nutzt. Vor der nordholländischen Küste plant ein Konsortium, das sich aus einigen der größten Akteure des europäischen Energiesektors zusammensetzt – Gasunie, Shell Nederland, Equinor, RWE und Groningen Seaports –, bis 2030 eine Offshore-Windkapazität von vier Gigawatt (GW) zu installieren, die bis 2040 auf zehn GW ansteigen soll.
Die Idee dahinter ist einfach: Grüne Wasserstoffproduktion erfordert mehr Strom aus regenerativen Quellen. Doch Wasserstoff wird für das zukünftige Energiesystem von noch größerer Bedeutung sein. Denn mehr Wind- und Sonnenenergie bedeuten mehr Variabilität in der Stromerzeugung, während der Energiebedarf über den Tag, die Woche und die Jahreszeiten schwankt. Durch den Einsatz eines „Power-to-Gas“-Systems können große Mengen an Energie in Form von Wasserstoff gespeichert werden. Das stellt einen kritischen Puffer dar zwischen Schwankungen in der Energieerzeugung und der Nachfrage. Es laufen bereits Vorbereitungen, um Salzkavernen für die Speicherung von Wasserstoff in großem Maßstab zu nutzen.
Bei NortH2 geht es jedoch nicht nur um die massenhafte Produktion von nachhaltigem Wasserstoff, sondern um die Schaffung einer vollständigen, komplett „grünen“ Versorgungskette. Dazu wird der Strom aus den neuen Windparks zu einer Produktionsanlage in Eemshaven fließen. Dort werden Elektrolyseure in 100-Megawatt-Modulen damit Wasser in seine Bestandteile, Wasserstoff und Sauerstoff, aufspalten. Von diesem Knotenpunkt aus könnten bis zum Jahr 2040 jährlich eine Million Tonnen Wasserstoff über ein Netz bestehender und neuer Pipelines zu industriellen Anwendern transportiert werden. Diese könnten so fossile Brennstoffe zur Strom- und Wärmeerzeugung durch Wasserstoff ersetzen.
Das würde acht bis zehn Megatonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr vermeiden und, was ebenso wichtig ist, die nordwesteuropäische Industrie auf einen nachhaltigen Weg zu Netto-Null-Emissionen bringen. NortH2 würde so helfen, die Emissionen in einem der am schwierigsten zu dekarbonisierenden Bereiche zu senken – industrielle Prozesse, die Wärme benötigen, aber schwierig und teuer zu elektrifizieren sind.
Hoch werden zwangsläufig auch die anfänglichen Kosten für den Aufbau einer vollständigen Wasserstoffversorgungskette – von regenerativer Energie über die Übertragung, Umwandlung und Speicherung bis zur Verteilung müssen alle Elemente gemeinsam entwickelt werden. Unterstützung und Planung durch die Regierung werden daher entscheidend sein. Eine erste Machbarkeitsstudie für das Projekt ist jedoch vielversprechend. Sie zeigt, dass grüner Wasserstoff eine wettbewerbsfähige Option sein kann.
Der Schlüssel dazu ist die Größe von NortH2. Dadurch werden die Kosten für Aufbau, Weiterentwicklung der Elektrolyse und technologische Innovationen sinken, was einen florierenden Wasserstoffmarkt ermöglichen wird. Nach Angaben des Konsortiums geben die ersten Studienergebnisse keinen Anlass dazu, nicht mit dem Projekt fortzufahren. Eine zweite, eingehendere Untersuchung ist bereits im Gange. Die Ergebnisse liegen voraussichtlich nach dem Sommer vor.