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Offshore-Wind: Bem-vindo a Portugal!
Offshore-Windkraft könnte bei der vollständigen Dekarbonisierung des portugiesischen Stromsektors helfen
  • Erste portugiesische Offshore-Windausschreibung für das dritte Quartal 2023 geplant
  • Großes Potenzial von konventionellen und schwimmenden Windkraftanlagen
  • Bis 2030 Überschuss an Erneuerbarer Energie zu erwarten

Portugal will bis 2030 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Kapazität von 10 Gigawatt (GW) in Betrieb nehmen. Ein ehrgeiziges Ziel für ein Land, in dem die installierte Windkraftleistung auf See derzeit nur 25 Megawatt (MW) beträgt. Bis zum dritten Quartal 2023 plant Portugal, seine erste Offshore-Windausschreibung durchzuführen und damit eine Transformation in der Stromgewinnung in Gang zu setzen.

Bereits jetzt hat das Land einen der höchsten Erneuerbaren-Anteile in der Stromerzeugung in Europa – Tendenz steigend. Das Offshore-Windpotenzial ist im Vergleich zum Gesamtstrombedarf so groß, dass Portugal in Kombination mit seinen anderen regenerativen Energiequellen zu einem der grünsten Länder Europas aufsteigen könnte. Das wiederum bringt noch ein weiteres Potenzial zutage: Mit den großen Mengen an regenerativ erzeugtem Strom könnte die Republik groß in die Produktion von grünem Wasserstoff einsteigen und einer der ersten Exporteure Europas werden.

Portugals Offshore-Windpotenzial

Doch von vorn: Portugal ist seit langem bestrebt, das Energiepotenzial seiner langen und stürmischen Atlantikküste nutzbar zu machen. Im Laufe der Jahre hat das Land auf der iberischen Halbinsel verschiedene Technologien untersucht, um die Meeresenergie zur Stromerzeugung zu nutzen – nun wendet es sich jedoch der Offshore-Windkraft zu.

Der portugiesische Meeresboden fällt größtenteils steil von der Küste ab, eignet sich aber dennoch dazu, konventionelle Windkraftanlagen mit Bodenverankerung zu installieren. Einer Schätzung des Global Wind Energy Council zufolge liegt Portugals Offshore-Windpotenzial bei 14 GW für konventionelle Windenergieanlagen auf See und bei 117 GW für schwimmende Anlagen (Link in Englisch)– ein immenses Potenzial angesichts des Gesamtstromverbrauchs.

Der portugiesische Gesamtstromverbrauch lag im Jahr 2022 bei 44 Terawattstunden (TWh), der verbrauchte Strom stammte aus sämtlichen Energiequellen. Im Vergleich dazu: Das Vereinigte Königreich (Link in Englisch) erzeugte im Jahr 2021 35,5 TWh Strom aus 11 GW Offshore-Windkapazität – und das war nicht einmal ein gutes Jahr für die Windkraft. 2020 produzierten weniger Offshore-Windräder mehr als 40 TWh Strom.

Zwar schwankt die Stromerzeugung aus Windenergie, etwa aufgrund von wetter- und jahreszeitenbedingt unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten, aber der Vergleich mit dem Vereinigten Königreich zeigt: Allein durch den Ausbau der konventionellen Offshore-Windkraftkapazität könnte Portugal fast seinen gesamten Strombedarf decken – denn Windräder auf See erzeugen das ganze Jahr über recht konstant Strom.

Ungleich höher wäre die Ausbeute, wenn das Land darüber hinaus einen Teil seiner geschätzten Kapazitäten ausbauen würde, die auf schwimmende Anlagen entfallen. Die Technologie hat mehrere Vorteile. Zum einen müssen die Windräder nicht in Küstennähe platziert werden – es kommen auch Standorte mit mehreren Hundert Metern Meerestiefe infrage. Zum anderen überzeugt sie mit ihrer Performance, da auf hoher See praktisch immer ausreichend starker Wind für die Stromproduktion weht. Auch das haben Erfahrungen aus dem Vereinigten Königreich gezeigt.

Auf dem Weg zur Dekarbonisierung

Im Jahr 2022 nutzte Portugal überhaupt keine Kohle zur Stromgewinnung und erzeugte 57 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Dies ist besonders beeindruckend, wenn man bedenkt, dass die Trockenheit im dem Jahr die Stromproduktion aus Wasserkraft stark beeinträchtigt hat – normalerweise stammt rund ein Viertel des Stroms in Portugal aus dieser Energiequelle. Erst im letzten Quartal 2022 haben starke Regenfälle die Reservoirs wieder aufgefüllt, sodass Wasserkraft im vergangenen Jahr immerhin noch einen Anteil von rund 15 Prozent am portugiesischen Strommix (Link in Englisch) hatte.

Stromerzeugung nach Quellen auf dem Festland Portugals für das Jahr 2022

in Prozent, Quelle: APREN

Neben der Wasserkraft waren Wind- und Solarenergie sowie Biomasse die grünen Energieträger, aus denen Portugal seinen Strom gewann. Der restliche erzeugte Strom stammte aus Pumpspeicherkraftwerken sowie aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraft-Wärme-Kopplungs- und Erdgaskraftwerken. Gas importiert Portugal vor allem in Form von verflüssigtem Erdgas (LNG), aber auch über Pipelines aus Spanien, da das Land selbst keine Fossilen fördert.

Auf der Grundlage der portugiesischen Strommarktdaten des Jahres 2022 müsste Portugal nur etwa 19 TWh Strom aus Offshore-Windenergie erzeugen, um ganzjährig eine vollständige Dekarbonisierung des Stromsektors zu erreichen. Kein unwahrscheinliches Szenario, schließlich werden parallel zum Ausbau der Offshore-Windenergie die Onshore-Wind-, Solar- und Wasserkapazitäten im Land weiter steigen, auch aufgrund von Unternehmensinvestitionen. RWE Renewables zum Beispiel rechnet mit der Fertigstellung eines 44-MW-Solarparks in Portugal in 2023 (Link in Englisch)– nur ein Projekt von mehreren, die das Unternehmen auf der Iberischen Halbinsel vorantreibt.

Überschüsse an Erneuerbarer Energie zu erwarten

Ein jährlicher Überschuss an Strom aus Erneuerbaren ist unter diesen Voraussetzungen nicht nur wahrscheinlich, sondern in Zeiten hoher regenerativer Stromerzeugung und geringer Nachfrage sogar nahezu sicher.

In der Praxis wird Portugal mit erheblichen Schwankungen bei Angebot und Nachfrage zurechtkommen müssen – in der Stromerzeugung zum Beispiel kurzfristig aufgrund von unvorhergesehenen Wetterereignissen oder auch aufgrund von alljährlichen saisonalen Schwankungen. Um damit umzugehen, braucht es Speichertechnologien, bessere Verbindungskapazitäten durch mehr Stromleitungen und Pipelines, eine gute Nachfragesteuerung – und möglicherweise die Wasserstoffproduktion.

Eine 1-GW-Verbindungsleitung mit Marokko wird derzeit geprüft. Zwischen Spanien und Portugal verlaufen bereits sechs Stromverbindungsleitungen. Normalerweise exportiert Portugal Strom, doch in den Jahren 2020 und 2021 verzeichnete das Land Nettostromimporte aus Spanien. Obwohl die direkte Verbindungskapazität begrenzt ist, dürfte Portugal in Zukunft auch vom Ausbau der Gas- und Stromleitungen zwischen Spanien und Frankreich profitieren: Durch die neuen Leitungen könnte der in Portugal erzeugte grüne Strom von der iberischen Halbinsel in die Nachfragezentren im Norden Europas fließen.

Portugals Stromhandel mit Spanien

jährliche Durchschnittswerte, in Megawatt, Quelle: 2007-2020 Ersa, 2021 REN

Erste Offshore-Wind-Ausschreibung im dritten Quartal 2023

Der Ausbau der Offshore-Windenergie in Portugal ist wesentlich, damit das Land sich im großen Stil als Exporteur von sauberer Energie positionieren kann. Zwar wurde die ursprünglich für 2022 geplante Ausschreibung für Offshore-Windparks mit einer Kapazität von 3 bis 4 GW auf 2023 verschoben, dafür jedoch die ausgeschriebene Kapazität deutlich aufgestockt – zunächst war von 6 bis 8 GW die Rede, im September 2022 erhöhte Umweltminister Duarte Cordeiro erneut auf 10 GW, um die Energiewende in Portugal zu beschleunigen. Zum Zeitplan äußerte sich der portugiesische Wirtschaftsminister Antonio Costa e Silva Anfang 2023: Die 10-GW-Auktion solle im dritten Quartal 2023 stattfinden mit dem Ziel, bis 2030 eine installierte Leistung aus Offshore-Windenergie von 10 GW zu erreichen.

Es wird erwartet, dass ein Teil der Gebote auf schwimmende Windkraftprojekte entfallen wird. Hier konnte Portugal schon Erfahrung sammeln: Das einzige portugiesische Offshore-Windprojekt ist derzeit ein schwimmender 25-MW-Windpark. Fraglich ist, wie schnell der Ausbau vorangeht und inwiefern Offshore-Windenergie zu Portugals Ziel für 2026 beitragen kann, 80 Prozent des jährlichen Strombedarfs mit Erneuerbaren Energien zu decken. Von der ersten Ausschreibung im Sommer 2023 bis 2026 wird daher die Entwicklung der Onshore-Windkraft noch eine wichtige Rolle spielen.

Im Jahr 2030 sieht es wahrscheinlich schon ganz anders aus: Wenn die Offshore-Windkraft wie geplant ihren Siegeszug antritt, könnte sie bis 2030 einen wesentlichen Beitrag zur portugiesischen Energiewende leisten. Auf dieser Grundlage könnte Portugal sich als Wasserstoffproduzent positionieren und eine 180-Grad-Wende in seiner Energiebilanz einleiten: den Wandel vom Importeur fossiler Brennstoffe zum Exporteur von grünem Strom und Gas.

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