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Startschuss für Offshore Windenergie in den USA
Die USA planen die Erschließung einer ihrer größten bisher ungenutzten Erneuerbaren Energiequellen

Nach einem langsamen Start kommt die US-amerikanische Offshore-Windbranche jetzt in Schwung. Die Regierungen der Bundesstaaten setzen sich ambitioniertere Ziele. Außerdem würde die Verlängerung von bundesstaatlichen Steuergutschriften die Finanzierung einer Vielzahl von Projekten sichern, die sich in den USA zurzeit in Planung befinden. Parallel zur Erschließung des Onshore-Windpotenzials sind die USA nun augenscheinlich im Begriff, sich die Vorteile einer ihrer größten regenerativen Energiequellen zunutze zu machen.

Mit etwas über 97 Gigawatt (GW) installierte Leistung am Ende des ersten Quartals 2019 verfügen die USA über mehr Windkraft-Kapazität als jedes andere Land der Welt, abgesehen von China. Windkraft ist nun die größte Quelle erneuerbarer Energie in den USA: Im Jahr 2018 deckte sie nach Angaben des amerikanischen Windenergieverbandes 6,5 Prozent des Strombedarfs.

Bisher befinden sie die Windräder aber fast ausschließlich auf dem Land. Während in Nordwesteuropa der Ausbau der Offshore-Windkapazität rasant zugelegt hat und Offshore-Windenergie auch in China und Taiwan allmählich Fuß fasst, ist in den USA bisher nur ein einziger Offshore-Windpark in Betrieb: Die 30-Megawatt-Windfarm Block Island vor Rhode Island, die im Dezember 2016 erstmals Strom erzeugt hat.

US-amerikanische Stromerzeuger haben zunächst auf Onshore-Anlagen gesetzt – aus dem einfachen Grund, dass deren Entwicklung vergleichsweise leichter und kostengünstiger sind und gute Standorte zur Verfügung stehen. Dazu kommt, dass Energieunternehmen an der amerikanischen Atlantikküste und der Küste zum Golf von Mexiko mit einem Wetterphänomen zu kämpfen haben, das ihre europäischen Kollegen nicht kennen – Hurrikans. Die tropischen Stürme erreichen zwar nur selten das Festland, aber ihre Auswirkungen draußen auf dem Meer erfordern ein bisher unbekanntes Maß an Einfallsreichtum von Offshore-Wind-Ingenieuren.

Küstenregionen mit hohem Potential

Auffällig ist, dass Windenergieanlagen in bestimmten Regionen konzentriert sind: Mehr als die Hälfte der US-amerikanischen Stromerzeugung aus Windkraft entfällt auf Texas, Oklahoma, Iowa und Kansas. In diesen Staaten treten die höchsten Windgeschwindigkeiten auf, und zwar in einem Streifen, der in nordsüdlicher Richtung entlang der Mitte der nordamerikanischen Landmasse verläuft.

Andere Regionen mit einer ähnlich hohen Windaktivität sind die Küsten des Landes und der Bereich der Großen Seen. Diese Regionen verbrauchen rund 80 Prozent des produzierten Stroms. Die Nachfrage an Land könnte also mit dem potenziellen Angebot aus Offshore-Wind gedeckt werden.

Dem dicht besiedelten Nordosten der USA – dem Großraum New York, Long Island und Neuengland – mangelt es außerdem an Pipelines zu den großen Erdgasförderregionen des Landes. Wenn im Winter Polarwinde aus dem Norden auf diese Gegenden treffen, steigt der Heizwärmebedarf deutlich an. In dem Fall können Kraftwerke aufgrund mangelnder Netzkapazität nicht mit ausreichend Gas versorgt werden. Offshore-Windkraft könnte daher zu einer Diversifizierung der regionalen Stromversorgung beitragen und so durch eine CO2-arme Stromerzeugung die Versorgungssicherheit erhöhen.

Nach Schätzungen des US-amerikanischen Energieministeriums könnten mit stabilen politischen Rahmenbedingungen bis zum Jahr 2030 22 GW und bis 2050 sogar 86 GW Offshore-Windkapazität installiert werden. Zum Vergleich: Großbritannien, das Land mit den meisten Windrädern vor der Küste weltweit, verfügt aktuell über rund 8 GW Kapazität. Der prognostizierte Zubau würde nur ein Bruchteil des geschätzten Offshore-Windkraftpotenzials von 2.000 GW nutzen.

Dieser Wert beschreibt das technische Potenzial der Energiequelle – also was mit der heutigen Technologie tatsächlich errichtet werden könnte. Mitberücksichtigt sind Regionen mit niedrigen Windgeschwindigkeiten, zu große Wassertiefen für bodenmontierte Fundamente sowie Gebiete, die bereits genutzt werden, wie Schifffahrtsstraßen und Meeresschutzgebiete.

Projektpipeline wächst

Nach einem langsamen Start kommt die US-amerikanische Offshore-Wind-Industrie jetzt augenscheinlich in Schwung. Laut Daten des Wirtschaftsverbands RenewableUK erhöhte sich die Gesamtleistung der geplanten Offshore-Windkraftprojekte in den USA von 7,5 GW im Jahr 2018 auf 15,7 GW in diesem Jahr.

US-Wind konkurriert mit Wasserkraft als größter erneuerbarer Energiequelle

Quelle: BP Statistical Review of World Energy

Mehrere Gründe sind für die stark steigende Investitionen verantwortlich: Erstens haben sich die Regierungen der Küstenstaaten verpflichtet, Offshore-Windkraft in einem größeren Umfang als bisher auszubauen. Massachusetts, das sich aufgrund niedriger Wassertiefe vor der Küste besonders eignet, hat sein Offshore-Wind-Ziel von 1,6 GW bis 2027 auf 3,2 GW bis 2035 erhöht. Auch New York und New Jersey haben ihre Ziele auf 2,4 GW bzw. 3,5 GW bis zum Jahr 2030 angehoben. Ebenso werden in anderen Staaten mit einem förderlichen Rechtsrahmen, wie Maryland, Connecticut, Rhode Island und Virgina, Projekte entwickelt.

Zweitens gelten Steueranreize als ein entscheidendes Mittel der Unterstützung der Industrie. Im Juni wurden zwei Gesetzesentwürfe zur Verlängerung der 30-prozentigen Steuergutschrift (Investment Tax Credit, ITC), die andernfalls diese Jahr auslaufen würde, in den US-amerikanischen Senat eingebracht: Der „Offshore Wind Incentives for New Development Act“ sieht eine sechsjährige Verlängerung vor, während der „Incentivizing Offshore Wind Power Act“ eine Verlängerung um acht Jahre anstrebt.

Mit dem Auslaufen und dem Verlängern von Steuergutschriften gehen große Schwankungen beim Bau von regenerativen Stromerzeugungsanlagen in den USA einher. Ein Auslaufen führt in der Regel zu einem kurzfristigen Aufschwung, da sich die Entwickler dann um den rechtzeitigen Abschluss ihrer Projekte bemühen, um von der ITC zu profitieren, wohingegen durch eine Verlängerung ein klarer Zeitplan für den Bau vorgeben wird, wodurch Entwicklungspläne angekurbelt werden. Eine Verlängerung der ITC würde laut Experten bei der Entwicklung einer Vielzahl US-amerikanischer Offshore-Windvorhaben helfen, die sich derzeit in der Projektpipeline befinden. 

Sinkende Kosten

Drittens sinken die Kosten der Offshore-Windenergie. Im Mai vergangenen Jahres gewann das 800-MW-Projekt Vineyard Wind vor Massachusetts die erste große Offshore-Wind-Ausschreibung des Bundesstaates. Die Projektentwickler schlossen Strombezugsverträge zu dem Rekordtiefpreis von 74 $/MWh für das erste Erzeugungsjahr aus der ersten 400-MW-Phase des Vorhabens und 65 $/MWh für das erste Jahr von Phase 2 ab.

Bei einem Strombezugsvertrag (power purchase agreements, PPAs) handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen den Windparkeigentümern und den Versorgungsunternehmen, die den Strom an die Kunden liefern. Wie im Fall von Vineyard Wind haben sie in der Regel eine Laufzeit von 20 Jahren und sind ein ausschlaggebender Faktor für die Projektentwicklung. Denn sie helfen bei der Finanzierung des Projektes.

Die Strombezugsverträge für Vineyard Wind machen einen sehr konkurrenzfähigen Eindruck, aber die Kosten für Windparks schwanken erheblich abhängig von Faktoren wie Turbinengröße, Windaufkommen, Wassertiefe oder Entfernung zur Küste. Das erschwert einen direkten Vergleich der Projekte, der Abwärtstrend bei den Gesamtkosten ist jedoch unübersehbar. Nach Schätzungen der Beratungsgesellschaft Bloomberg New Energy Finance sind die Kosten für Offshore-Windenergie seit 2010 um 56 Prozent auf unter 100 $/MWh gesunken, wobei in den vergangenen 12 Monaten ein besonders drastischer Rückgang von 24 Prozent zu verzeichnen war.

Laut einer unabhängigen Untersuchung zu den Vineyard-Wind-Strombezugsverträgen, die von dem Nationalen Erneuerbare-Energien-Labor der USA durchgeführt wurde, sind die Strombezugsverträge für Vineyard Wind bei Umrechnung auf einen mittleren Stromerlös (Levelised Revenue of Electricity, LROE) vergleichbar mit neuen Windparks, die in Nordeuropa errichtet werden und ebenfalls Anfang der 2020er Jahre in Betrieb genommen werden sollen. Das deutet darauf hin, dass Projekte im verhältnismäßig unterentwickelten US-amerikanischen Offshore-Windmarkt nur mit geringen Risikoaufschlägen verknüpft sind.

Die USA profitieren also davon, dass sich die Technologie weiterentwickelt hat. Die Kosten für Windparks sind in den vergangenen Jahren erheblich gesunken, was größtenteils auf den Einsatz von größeren Turbinen zurückzuführen ist. US-amerikanische Entwickler werden für die erste Generation von Offshore-Windprojekten Turbinen mit je mindestens 8 MW-Leistung installieren, allesamt größer als die zurzeit verfügbaren 6-MW-Turbinen. Darüber hinaus kann eine stärkere Belastbarkeit der Windräder das das Risiko durch Hurrikans senken.

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