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Ostdeutschland: Große Potenziale für H2-Wirtschaft
Erzeugung, Logistik, Anwendung: Ostdeutsche Regionen könnten sich zu vollständiger H2-Wertschöpfungskette ergänzen
  • Die ostdeutschen Bundesländer vereinen Kompetenzen entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette
  • Die Politik will eine Wasserstoffwirtschaft in den neuen Bundesländern im Rahmen der Energiewende und des Strukturwandels aufbauen
  • Ehemalige Bergbauflächen sollen dabei eine zentrale Rolle spielen

Erst Anfang des Jahres hat der Deutsche Wasserstoffrat eine ambitioniertere H2-Strategie gefordert, die eine global konkurrenzfähige Wasserstoffwirtschaft in der EU zum Ziel hat. Stattfinden muss der Aufbau allerdings vor Ort, meint Mario Ragwitz, Sprecher des Wasserstoffnetzwerkes der Fraunhofer-Gesellschaft: „Einerseits brauchen wir ein europäisches Denken, insbesondere um entsprechende Infrastrukturen zu koordinieren. Andererseits muss man auf regionaler Ebene Kompetenzen bündeln, um an geeigneten Standorten eine kritische Masse zu erreichen, bei der sich solche Investitionen lohnen.“

Innovative H2-Industrie in Ostdeutschland ansässig

Ragwitz hat als Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) bereits mehrere Studien zur Wasserstoffwirtschaft in Ostdeutschland mitverantwortet. Eine davon ist der „H2-Masterplan Ostdeutschland“, den mehrere Fraunhofer Institute im Auftrag der Leipziger VNG AG erstellt haben. Darin kommen die Autoren zu dem Schluss: „In den neuen Bundesländern sind eine Reihe an hoch spezialisierten und international renommierten Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau sowie führende Forschungsinstitutionen im Bereich der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie angesiedelt.“

So werden etwa beim Dresdner Anlagenbauer Sunfire verschiedene Verfahren zur Gewinnung von Wasserstoff und Syngas entwickelt und produziert. Im April dieses Jahres hat Sunfire den mit 2,6 Megawatt (MW) nach eigenen Angaben größten Hochtemperatur-Elektrolyseur der Welt in einer Raffinerie in Rotterdam fertiggestellt. Derzeit installiert das Unternehmen einen Druck-Alkali-Elektrolyseur mit 10 MW am RWE-Gaskraftwerk Emsland. Erst im März hatte das Unternehmen die Serienfertigung dieser Technologie aufgenommen; Bauteile davon sollen unter anderem aus einem Werk des Automobilzulieferers Vitesco nahe Chemnitz kommen.

Viel Potenzial für Erneuerbare Energie

Günstig sei der Standort Ostdeutschland aber auch für die Produktion von Wasserstoff selbst, meint Experte Ragwitz: „Insbesondere Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sind sehr weit vorne bei der Erzeugung erneuerbaren Stroms.“

Die nördlichen Flächenländer verfügen mit der Ostseeküste und großen Anteilen am Norddeutschen Tiefland sowie einer vergleichsweise dünnen Besiedlung über gute Bedingungen zur Erzeugung von Windstrom. Günstiger Ökostrom ist eine wichtige Voraussetzung für eine konkurrenzfähige Wasserstoffwirtschaft, da die nachhaltige Gewinnung von reinem H2 großer Mengen davon bedarf.

Die Zukunft ehemaliger Bergbauflächen

Künftig sollen auch die ehemaligen Bergbauflächen eine zentrale Rolle der Erneuerbaren-und Wasserstoffproduktion spielen: „Das Lausitzer Braunkohlerevier ist sehr groß und mit überschaubarem Aufwand zu erschließen“, meint Ragwitz. Auf den rund 33.000 Hektar sollen bis 2030 sieben Gigawatt (GW) erneuerbare Erzeugungsleistung installiert werden, darunter Wind- und Sonnenenergieanlagen.

Bergbaufolgeflächen

Mit 33.000 Hektar ist die Bergbaufolgefläche in der Lausitz etwa 1,5-mal so groß wie das Rheinische Revier. Auch dort werden bereits Flächen zur erneuerbaren Energiegewinnung genutzt. Mitte 2023 beginnt RWE in Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich auf Rekultivierungsflächen des Tagebaus Garzweiler mit dem Bau einer Demonstrationsanlage zur Kombination von nachhaltiger Stromerzeugung und Landwirtschaft. Dies könnte eine Art der Folgenutzung nach dem für 2030 geplanten Ende des Braunkohleabbaus werden. In erster Linie werden mit dem Ökostrom aus dem Rheinischen Revier allerdings wohl die benachbarten Ballungszentren Köln, Düsseldorf und Ruhrgebiet mit Strom versorgt werden. Im dünner besiedelten Ostdeutschland könnte ein größerer Anteil des Ertrags zur Wasserstoffproduktion genutzt werden.

Unter anderem entsteht zurzeit auf dem Cottbuser Ostsee, dem größten Bergbaufolgesee der Region, Deutschlands größte schwimmende PV-Anlage. Bis 2040, also zwei Jahre nach dem bislang geplanten Ende des Bergbaus in der Lausitz, sollen in der Region weitere sieben GW hinzugekommen sein. Am Referenzkraftwerk Lausitz wird erforscht, wie die Rückverstromung von Wasserstoff zur Netzstabilisierung eingesetzt werden kann.

Gasleitungen und Kavernenspeicher als Basis für H2-Infrastruktur

Ein weiteres Plus: Das vorhandene Erdgasnetz könnte für den Transport von Wasserstoff ertüchtigt werden. Eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums von Brandenburg, an der das Fraunhofer IEG ebenfalls beteiligt war, hat ergeben, dass dies sowie die Bündelung neuer Leitungen mit diesen Trassen im Falle von Brandenburg rund 55 Prozent der Kosten sparen könnte, die bei einem vollständigen Neubau anfallen würden. „Die Umrüstung von Gasleitungen auf Wasserstoff kostet etwa zwei Drittel weniger als vollkommen neue Trassen“, erläutert Ragwitz.

Genau das wollen sich beispielsweise die knapp 30 Partner des Konsortiums „Flow – making hydrogen happen“, zu denen auch RWE gehört, zunutze machen. Ab 2025 sollen 1.100 Kilometer Erdgasleitung von Lubmin im äußersten Nordosten der Republik bis nach Stuttgart zu Wasserstoffpipelines umgebaut werden. So soll H2 aus Ostsee-Windkraft mit einer Einspeiseleistung von bis zu 20 GW quer durch Deutschland in verschiedene Industriezentren transportiert werden.

Entlang der geplanten Leitung liegen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Hessen zudem große Gaskavernen, in denen Wasserstoff gespeichert werden kann. Große Speicher können als Puffer fungieren und dadurch ganzjährig die Versorgungssicherheit erhöhen.

Marktakteure auf allen Stufen der Wasserstoffwirtschaft

Über die Flow-Leitung könnten beispielsweise die Stahlindustrie östlich von Berlin oder die Chemie- und Grundstoffstandorte in Leipzig und Leuna mit Wasserstoff versorgt werden, erklärt Ragwitz: „Ostdeutschland als Region hat also das Potenzial die gesamte H2-Wertschöpfungskette abzubilden – von der Produktion bis zur Anwendung.“

„Riemser Erklärung“

Mitte 2022 haben Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die Regierungschefs der sechs ostdeutschen Bundesländer auf der Ostseeinsel Riems Ziele und Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region mit Blick auf aktuelle und künftige Herausforderungen wie Coronakrise, Ukrainekrieg und Energiewende formuliert und vereinbart. Einer der Punkte betrifft den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Ostdeutschland.

Diese Ansicht teilt man offenbar auch in der deutschen Politik. Mitte 2022 haben die Regierungsvorsitzenden der ostdeutschen Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz in der „Riemser Erklärung“ die Einrichtung einer „Interessenvertretung Wasserstoff Ostdeutschland“ (IWO) vereinbart. Die Politik sieht in der Wasserstoffwirtschaft nicht nur eine Chance für die Energiewende, sondern auch für einen erfolgreichen Strukturwandel, der Menschen und Wirtschaft in Ostdeutschland zugutekommt.

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