Die Power-to-Liquid-Pilotanlage in Dresden entstand im Rahmen des BMBF-Verbundprojekts SUNFIRE, das seit Mai 2012 läuft.
© sunfire GmbH, Dresden / renedeutscher.de, lizensiert unter: CC BY-ND 2.0
weitere InformationenSynthetische Kraftstoffe können Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren schon heute klimaneutral antreiben. Sogenannte E-Fuels helfen, die steigenden Treibhausgas-Emissionen im Verkehrssektor zu senken. Doch bislang wird der Treibstoff nur in geringen Mengen in wenigen Demonstrationsanlagen produziert. Warum das so ist, analysiert der en:former im neusten Teil der „Serie Power-to-X“. Außerdem werden Power-to-Liquid-Vorhaben präsentiert, die die Technologie im größeren Maßstab nutzen – und ihr so zum Durchbruch verhelfen wollen.
Schon heute ist das möglich: In ein ganz normales Auto, egal ob Benziner oder Diesel, steigen, starten, tanken und in eine andere Stadt fahren – ohne dabei das Klima unterm Strich zu belasten. Der Kniff: Das Kohlendioxid, das bei der Fahrt in die Luft gepustet wird, wurde vorher bei der Herstellung des Treibstoffes aus der Atmosphäre oder aus einer anderen Quelle, wie etwa einer Industrieanlage, entnommen. Möglich machen das synthetische Kraftstoffe, die auf diese Weise als klimaneutral gelten.
Spektakulär sieht der Wunder-Treibstoff nicht aus. Die Flüssigkeit ist glasklar und riecht so gut wie gar nicht. Von der chemischen Struktur und den Eigenschaften unterscheidet sie sich nicht von herkömmlichem Benzin oder Diesel, welche aus Erdöl gewonnen werden. Außer der Klimaneutralität haben E-Fuels noch weitere Vorteile: Sie könnten an Zapfsäulen von Tankstellen getankt werden. Anders als bei der E-Mobilität ist der Aufbau einer neuen Infrastruktur somit nicht notwendig. Zudem werden bei der Verbrennung deutlich weniger andere Schadstoffe wie beispielsweise Stickoxide freigesetzt. Aus all diesem Gründen setzt gerade die Automobilindustrie große Hoffnungen in synthetische Kraftstoffe.
Der Durchbruch ist den E-Fuels bislang allerdings nicht gelungen. Denn nur wenige Demonstrationsanlagen in Europa produzieren synthetische Kraftstoffe und das in geringen Mengen. Der Fokus der Anlagen liegt eindeutig auf der Erforschung und Erprobung der Technologie und der eingesetzten Verfahren. Von der Marktreife sind E-Fuels noch weit entfernt. In den kommenden Jahren sollen allerdings erste Produktionsanlagen gebaut werden.
Bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen werden chemische Verfahren eingesetzt, die zum Teil seit Jahrzehnten bekannt und gut entwickelt sind. Wie im vorherigen Teil der Serie ausführlich erklärt, wird mithilfe von Strom aus Erneuerbaren in einer Elektrolyse Wasserstoff erzeugt und dieser dann in weiteren Schritten zusammen mit Kohlendioxid zu flüssigem Kraftstoff umgewandelt. Unter dem Begriff Power-to-Liquid (Strom-zu-Flüssigkeit) werden diese Verfahren zusammengefasst. Pilotanlagen haben erfolgreich bewiesen, dass sich aus Strom, Wasser und Kohlendioxid Treibstoffe für Autos, Lkw, Frachter oder Flugzeuge herstellen lässt.
Bei sogenannten Power-to-Liquid-Verfahren wird Öko-Strom zur Erzeugung synthetische flüssiger Kraftstoffe (E-Fuels) genutzt. Klicken Sie sich durch die Grafik und erfahren Sie mehr über die einzelnen Schritte des Verfahrens.
Bei der Power-to-Liquid Technologie werden flüssige Energieträger mit Hilfe von elektrischer Energie erzeugt. Oder anders ausgedrückt: Strom wird zu flüssigen Kraftstoffen umgewandelt. Damit die synthetischen Treibstoffe beim Erreichen der Klimaziele helfen können, muss der eingesetzte Strom aus Erneuerbaren stammen.
In der Elektrolyse wird Wasserstoff erzeugt: Mithilfe von Strom wird Wasser (H2O) in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespalten. Der Sauerstoff wird in die Umgebungsluft abgegeben. Der Wasserstoff wird in den kommenden Schritten gebraucht.
In einem zweistufigen Prozess werden aus Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff Kohlenwasserstoffketten. Zunächst wird Kohlendioxid mit Wasserstoff zu Kohlenmonoxid reduziert, dabei entsteht auch Wasser (H2O). Das Kohlenmonoxid wird dann mit weiterem Wasserstoff zu einem Synthesegas zusammengeführt. Mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren können dann aus dem Synthesegas unterschiedliche flüssige Kohlenwasserstoffe hergestellt werden.
Die flüssigen Energieträger lassen sich beispielsweise in einer Raffiniere zu synthetischem Benzin, Diesel oder Kerosin aufbereiten.
Synthetisches Benzin, Diesel oder Kerosin können in Autos, Lkw, Containerschiffen oder Flugzeugen direkt eingesetzt werden. Bei der Verbrennung wird das CO2 wieder freigesetzt, das im Prozess vorher gebunden ist. Zudem werden im Vergleich zu fossilen Treibstoffen deutlich weniger Schadstoffe emittiert, weil die Produkte reiner sind.
Angesichts dieser Vorteile drängt sich die Frage auf: Was steht dem Durchbruch entgegen? Die Antwort: der niedrige Wirkungsgrad und der hohe Preis. Der Wirkungsgrad sinkt, da die einzelnen Verfahrensschritte Energie verbrauchen. Ein Beispiel macht dies deutlich: Laut einer Berechnung von Agora Energiewende aus dem Jahr 2017 braucht ein batterieelektrisches Auto 15 Kilowattstunden (KWh) Strom, ein mit Wasserstoff betriebenes Fahrzeug 31 KWh und ein mit E-Fuels betriebener Diesel oder Benziner sogar 103 KWh. Für die gleiche Leistung wird also ein Vielfaches an Energie benötigt. Im Personenverkehr ist Elektromobilität Experten zufolge deutlich effizienter als der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen und daher vorzuziehen.
Doch nicht überall im Verkehrssektor sind elektrisch betrieben Fahrzeuge einsetzbar. „Die Luftfahrt, die Schifffahrt und der Schwerlastverkehr sind Bereiche, die sich der Elektrifizierung zumindest weitgehend entziehen“, erklärt Thomas Willner, Professor für Verfahrenstechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. Gerade diese Bereiche werden – global gesehen – deutlich steigen. Alternative Kraftstoffe sind nach seinen Worten daher unabdingbar für das Erreichen der Klimaziele. Auch die Deutsche Energie Agentur (dena) betont das große Potenzial für synthetische Kraft- und Brennstoffe.
Der geringe Wirkungsgrad macht den Kraftstoff teuer. Insbesondere in Ländern wie Deutschland treiben die vielen Steuern und Abgaben den Preis nach oben. Laut einer Studie der dena und der Ludwig Bölköw Systemtechnik liegt der Preis momentan bei bis zu 4,50 Euro pro Liter Dieseläquivalent. Allerdings gibt es (wie erwähnt) keine Massenproduktion – was die Kosten deutlich senken würde. „E-Fuels sind noch verhältnismäßig teuer, aber die Kosten werden weiter runtergehen. Viele sind von der Wirtschaftlichkeit schon jetzt nicht mehr so weit entfernt“, erklärte Manfred Aigner, Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), im Handelsblatt.
Teurer werden synthetische Kraftstoffe aber wohl auch in Zukunft bleiben. Laut einer Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie könnte im Jahr 2030 der Literpreis für fossiles Benzin bei 1,38 Euro und der für synthetisches bei 2,29 Euro liegen. Trotz dieser Hürden sind erste Produktionsanlagen in Planung, die in den kommenden Jahren den Betrieb aufnehmen wollen. Sie wollen die Technik in einem kommerziellen Maßstab weiter erproben.
Audi ist der Autohersteller in Deutschland, der sich am intensivsten mit synthetischen Kraftstoffen beschäftigt. Schon vor einigen Jahren hat der Ingolstädter Autobauer eine Power-to-Gas-Anlage in Niedersachsen in Betrieb genommen, in der mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien Methan produziert wird. Mit diesem können Autos mit Gasantrieb angetrieben werden. Das nächste Projekt von Audi soll nun deutlich größer werden und anstatt Methan E-Diesel produzieren.
Im Schweizer Kanton Aargau plant die Volkswagen-Tochter zusammen mit dem deutsch-schweizerischen Energieversorger Energiedienst Holding und dem Start-Up Ineratec GmbH eine 1-Megawatt-Pilotanlage. Diese soll direkt neben einem Wasserkraftwerk gebaut werden. Der Standort ist von entscheidendem Vorteil: Die Anlage wird überschüssigen Strom aus dem Kraftwerk nutzen, und damit elektrische Energie quasi zum Nulltarif beziehen. Das bedeutet allerdings auch, dass nicht durchgängig produziert werden kann, sondern nur bei hohem Stromangebot.
Laut Audi soll die Power-to-Liquid-Anlage jährlich rund 400.000 Liter e-Diesel sowie Wachse, die in der chemischen Industrie gebraucht werden, herstellen. Die Genehmigung des Bauantrags liegt vor, und das Unternehmen rechnet damit, erste Mengen im Jahr 2020 in den Markt bringen zu können.
Ein paar Hausnummern größer wird in Norwegen geplant. Im Industriepark Heroya an der Südküste des skandinavischen Landes will die Firma Nordic Blue Crude bis 2023 eine 20-Megawatt-Anlage bauen, die laut Unternehmensangaben jährlich bis zu zehn Millionen Liter bzw. 8.000 Tonnen des sogenannten e-Crude produzieren soll. E-Crude ist ein synthetisches Erdölsubstitut – was bedeutet, dass es in einer Raffinerie zu Produkten wie Benzin, Diesel oder Kerosin weiterverarbeitet werden kann.
Auch das Projekt in Norwegen baut auf deutsche Beteiligung. Die Dresdener Firma Sunfire gehört weltweit zu den Pionieren der Power-to-Liquid-Technologie. Im Jahr 2010 von drei Gründern ins Leben gerufen, hat das Unternehmen ein dreistufiges Verfahren entwickelt, um mithilfe von Ökostrom synthetische Kraftstoffe herzustellen. Dieses soll in der Anlage in Norwegen eingesetzt werden. Und wie beim Audi-Projekt stammt der Strom aus Wasserkraft, die dort in großen Mengen zur Verfügung steht und für niedrige Energiekosten sorgt. Das zusätzlich benötigte Kohlendioxid soll sowohl aus dem Industriepark stammen als auch direkt aus der Luft gefiltert werden. Zu einem späteren Zeitpunkt soll die Kapazität der Anlage nach Medienberichten deutlich gesteigert werden. So hoffen die Projektpartner, die momentan hohen Kosten für synthetische Kraftstoffe senken zu können.
Der Begriff „Flugscham“ macht es deutlich – vor allem die Luftfahrt steht im Zentrum der Kritik von Klimaschützern. Der Luftverkehr wächst, Emissionen steigen. Die weltweit größten Airlines haben als Reaktion sich das Ziel gesetzt, schon ab dem kommenden Jahr nur noch CO2-neutral wachsen zu wollen. Da Batterien aufgrund ihres hohen Gewichtes in absehbarer Zeit keine Alternativen sind, wächst das Interesse nach synthetischem Kerosin.
In Niedersachsen soll eine Power-to-Liquid-Anlage im industriellen Maßstab gebaut werden. Das zumindest planen die Partner Technische Universität Hamburg, Airbus, BP, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Dow und Hoyer Logistik.. So wollen die Experten Erfahrung sammeln, wie sich PtL-Verfahren wirtschaftlich und ökologisch optimieren lassen. Dazu soll auf dem Gelände des Chemieunternehmens Dow in Stade eine Anlage auf Basis der Fischer-Tropsch-Synthese entstehen. Die dort erzeugten synthetischen Kohlenwasserstoffe sollen als Grundlage für die weitere Produktion an die BP Raffinerie in Lingen geliefert werden. Dort werden diese laut Planung zu Kerosin weiterverarbeitet werden.
Bereits aktiv tätig sind die Raffinerie Heide und die Universität Bremen. Das Duo will in überschüssigen Strom aus Windparks in der Region nutzen, um synthetisches Kerosin herzustellen. Die Lufthansa, die größte deutsche Airline, ist als potenzieller Abnehmer des Treibstoffs mit an Bord.
In der „Serie Power-to-X“ stellt der en:former Technologien vor, mit deren Hilfe Strom in andere Energieträger umgewandelt wird. In den kommenden Wochen erklärt die Serie Wirkungsweise, Einsatzarten und Marktpotenziale von Power-to-Heat. In einer weiteren Folge wird es die Möglichkeit gehen, die Power-to-Heat-Technologien voranzubringen.