„Solaroffensive – Wie wir mit Sonnenenergie einen Wirtschaftsboom entfesseln und das Klima schützen“: So lautet der Titel einer neuen Kurzstudie des Fraunhofer Instituts für Solare Energie Systeme (ISE) im Auftrag von Greenpeace. Um den steigenden Strombedarf auf dem Weg zur Klimaneutralität zu decken, muss u.a. die Solarenergie deutlich stärker ausgebaut werden als bisher geplant ist. Im Vergleich zu heute müssen laut dem Fraunhofer ISE das 6 bis 8-fache an Photovoltaik-Leistung bis 2040 installiert werden. Dafür wird eine Menge Freifläche benötigt, die im dichtbesiedelten Deutschland begrenzt ist.
Aus diesem Grund haben die Experten in der Studie das Solarpotenzial abseits konventioneller Flächen – wie sie für den Bau von großen Freiflächenanlagen gebraucht werden – untersucht. Das Ergebnis: Durch den Einsatz von sogenannter integrierter PV-Technologie könnte ein technisches Potenzial von mehr als 3000 Gigawatt (GW) in Deutschland erschlossen werden. Zum Vergleich: Die installierte Leistung der Photovoltaik liegt in Deutschland aktuell bei 56 GW. Diese Zahlen zeigen, dass ein riesiges Potenzial abseits konventioneller Flächen existiert, das mithilfe von technischen Weiterentwicklungen in Zukunft genutzt werden könnte. Die Studie weist aber auch darauf hin, dass nur ein Teil des technischen Potenzials erschlossen werden kann, da dafür große Investitionen notwendig sind und in erster Linie die wirtschaftlich attraktivsten Projekte umgesetzt werden sollten.
Bei der integrierten Photovoltaik wird die Solarenergie in die bestehende Flächennutzung integriert. Vereinfacht ausgedrückt: PV-Anlagen werden auf landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt, auf Seen als schwimmende Anlagen (Floating Solar) errichtet oder auf Dächern und an Fassaden von Gebäuden gebaut. Dadurch kann der Platz für seine ursprüngliche Funktion weitergenutzt werden.
Die Experten des Fraunhofer ISE sehen die größte Chance in der Agri-Photovoltaik, also auf oder über landwirtschaftlich genutzten Flächen: Hier errechnen sie für Deutschland ein Flächenpotenzial von rund 1700 GW. An zweiter Stelle folgt die Gebäude-integrierte PV mit 1000 GW. Hier werden angepasste PV-Module direkt in die Gebäudehülle eingesetzt und können somit gleichzeitig eine Funktion als Element eines Daches oder einer Fassade übernehmen. Auch die Verkehrsinfrastruktur kann für die Solarenergie genutzt werden: Über und neben Straßen, über Parkplätzen, an Bahnstrecken oder auf Lärmschutzwänden ließen sich zusammen weitere 362 GW installieren. Auch für schwimmende Solaranlagen, auf Seen oder gefluteten Tagebauseen, sehen die Experten erhebliches Potenzial: Bis zu 44 GW Leistung könnte mit Solarmodulen auf Schwimmkörpern erschlossen werden.
Die Wissenschaftler haben außerdem untersucht, welche Effekte ihre Ergebnisse für den Ausbau der Solarenergie in Deutschland hätten. Die Experten sehen zukünftig eine starke Verlagerung der Produktionskette auf Europa – eine Entwicklung, wie sie auch schon zu beobachten ist. Die Herstellungskosten für Solarmodule würden auch in Zukunft weiter sinken – und zwar so stark, dass sich der Import wirtschaftlich immer weniger lohnen würde. Auch die Umweltverträglichkeit würde sich durch eine lokale Produktion weiter verbessern. Denn die CO2-Bilanz von Modulen aus Europa ist gegenüber chinesischen Produkten um knapp die Hälfte geringer.
Eine große Chance für die Konjunktur sehen die Experten außerdem in der Schaffung von Arbeitsplätzen: Pro Gigawatt Modulproduktionskapazität würden rund 750 Arbeitsplätze in der Herstellung geschaffen. Dazu kämen zusätzliche 3500 Stellen pro GW für die Planung, Installation und Instandhaltung von Solaranlagen.
Doch Solarenergie kann nicht nur für die Stromerzeugung genutzt werden. Unabhängig von der Photovoltaik betrachtet die Studie auch das Potenzial und die Bedeutung der Solarthermie in Deutschland, also der Nutzung von Solarenergie, um Wärme bereitzustellen. Welches Potenzial die Solarenergie für die Wärmeversorgung hat, lesen Sie in der Studie.
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