Zement ist eines der meistverwendeten Materialien in der heutigen Gesellschaft. Als Bindemittel – vor allem für Beton und Mörtel – ist der Baustoff nahezu allgegenwärtig. Im Jahr 2022 ging der weltweite Zementverbrauch zwar zurück, doch langfristig ist die Tendenz ansteigend.
Schon jetzt leben etwa 4,4 Milliarden Menschen in Städten, das entspricht 56 Prozent der Weltbevölkerung. Der Weltbank zufolge (Link in Englisch) wird dieser Anteil bis zum Jahr 2050 auf fast 70 Prozent ansteigen.
Mehr und größere Städte erfordern mehr Zement. Doch wegen der enormen Mengen und der hohen Kohlenstoffintensität erzeugt die Zementproduktion sechs bis sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen (Link in Englisch). Ansätze, Zement nachhaltiger zu produzieren, haben sich bisher nicht durchgesetzt.
Im Gegenteil: Die Internationale Energieagentur (IEA) hat ermittelt, dass die Emissionsintensität der Zementproduktion zwischen 2015 und 2021 sogar um etwa 1,5 Prozent pro Jahr gestiegen ist. Dabei müsste dieser Wert laut IEA (Link in Englisch) bis einschließlich 2030 jedes Jahr um drei Prozent sinken, um den für 2050 angestrebten Netto-Null-Emissionswert zu erreichen.
Für die Herstellung von Zement wird Wärme benötigt. Dabei bilden Kalkstein oder Kreide das Basismaterial, das zerkleinert und zusammen mit anderen Materialien wie Ton oder Schiefer gemahlen wird. Anschließend erhitzt man das Gemisch in einem Drehrohrofen auf bis zu 1.450 °C.
Der so erzeugte Klinker wird pulverisiert und in kleinen Mengen mit weiteren Stoffen wie Gips versetzt. Die genaue Zusammensetzung verleiht dem Zement die spezifischen Eigenschaften, die für seine spätere Anwendung nötig sind.
Etwa 40 Prozent der Kohlenstoffemissionen bei der Zementproduktion werden durch den Energieaufwand beim Erhitzen verursacht. Um die Kosten niedrig zu halten, verwerten Zementwerke häufig die billigsten und oft auch emissionsreichsten Brennstoffe. Dazu gehören schwefelreiches Heizöl, Abfallprodukte der Erdölverarbeitung und Kohle.
Mittlerweile stehen eine Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, um die Zementproduktion zu dekarbonisieren, zum Beispiel durch die Wahl der Energieträger und der eingesetzten Materialien oder durch die Abscheidung und Speicherung des ausgestoßenen CO2.
Als einfache und verbreitete Methode gilt die teilweise Substitution von Klinker durch alternative Materialien wie Flugasche und Schlacke. Auf diese Weise kann der Anteil des energie- und emissionsintensiven Klinkers und damit die Kohlenstoffintensität des Endprodukts reduziert werden. Da Flugasche allerdings ein Nebenprodukt der Kohleverstromung ist, nimmt ihre Verfügbarkeit in dem Maße ab, wie der Energiesektor zu emissionsärmeren Stromerzeugungsverfahren übergeht.
Ein weiterer sinnvoller Ansatz ist die Umstellung der Energiezufuhr in der Klinkerproduktion, wobei Erneuerbare Energien eine Schlüsselrolle einnähmen. So unterzeichnete beispielsweise der Schweizer Zementhersteller Holcim einen Stromabnahmevertrag über rund 71 Gigawattstunden (GWh) Ökostrom für sein Werk in Florence im US-Bundesstaat Colorado. Die Erzeugung erfolgt durch eine 33-MW-Solaranlage, unterstützt durch ein Batteriesystem mit 38,5 Megawattstunden (MWh). Ab 2025 soll das neue Stromversorgungssystem die Kohlendioxidemissionen des Zementwerks um mehr als 40.000 Tonnen pro Jahr reduzieren.
Das ebenfalls in der Schweiz ansässige Unternehmen Synhelion und Cemex aus Mexiko, verfolgen einen anderen Ansatz: Sie nutzen konzentrierte Solarenergie (Concentrated Solar Power – CSP). Die Wärme der gebündelten Solarstrahlung wird bisher meist genutzt, um mithilfe von Dampfturbinen Strom zu erzeugen.
Synhelion und Cemex verwenden CSP zur Klinkerproduktion. Die Sonnenkollektoren können Temperaturen von über 1.500 °C erzeugen. Im Februar 2022 wurde erstmals Klinker allein mit Hilfe von Solarenergie hergestellt. Inzwischen arbeiten beide Unternehmen an der Einführung des Verfahrens in industriellem Maßstab (Link auf Englisch).
Das Unternehmen Rohrdorfer mit Sitz in Österreich hat in seinem deutschen Zementwerk Rohrdorf ein Kohlenstoffabscheidungssystem auf Aminbasis implementiert. Der Testbetrieb wurde im August 2022 begonnen, im Februar dann der Regelbetrieb verkündet.
Bis 2038 will Rohrdorfer seinen Zement kohlenstoffneutral produzieren. Die Abscheidekapazität soll auf 1.500 Tonnen CO2 pro Tag ausgeweitet werden, und das Kohlendioxid der industriellen Nutzung zugeführt werden. Allein der Nachweis, dass die Abscheidung in der Zementproduktion möglich ist, stellt einen wesentlichen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit dar.
Einige Zementhersteller konzentrieren sich auf die Rohstoffe der Zementherstellung und haben sich mitunter von den antiken Römern inspirieren lassen. Die nämlich bauten mit Puzzolanzement, der aus Vulkanpulver am Vesuv gewonnen wurde. Puzzolane sind künstliche oder natürliche Gesteinsarten, die meist unter Hitzeeinfluss entstehen.
Wegen seiner schlechteren Trocknungseigenschaften wurde Puzzolanzement jedoch durch den heute gängigen Portlandzement (OPC) ersetzt – dabei ist er langlebiger und widerstandsfähiger.
Dem US-Hersteller Green Cement Inc. (GCI) ist es jedoch gelungen, Puzzolanzement so zu verändern, dass dieser genauso zügig trocknet wie herkömmlicher OPC. Dabei werden 50 bis 100 Prozent des OPC-Gehalts durch aufbereitete Flugasche und natürliche Puzzolane ersetzt. Laut Unternehmensangaben (Link auf Englisch) liegen die Kosten unter denen von OPC. Bei der Produktion der bereits mehr als 1,1 Millionen Tonnen GCI-Zement seien keinerlei CO2-Emissionen verursacht worden.
Das Unternehmen hat außerdem damit begonnen, Flugasche aus Mülldeponien zurückzugewinnen. Die Asche stammt aus jahrzehntelanger Kohleverstromung. Davon verspricht sich GCI neben der Produktion von grünem Zement auch eine umweltfreundliche Rekultivierung von Flächen.
Einen weiteren Ansatz verfolgt das US-amerikanische Unternehmen Solidia (Link in Englisch). Wie GCI betrachtet es die Materialien von OPC als Kernproblem. Bei Solidia kommen kalkarme Kalziumsilikate zum Einsatz, die es erlauben, den Klinker bei niedrigeren Temperaturen als OPC herzustellen. Das spart Energie und verringert die Emissionen.
Der Zement reagiert außerdem nicht mit Wasser, sondern mit CO2. Der Kohlenstoff, der während der Aushärtung gebunden wird, kann aus Rauchgasen stammen. Das für den Vorgang ebenfalls benötigte Wasser kann später zurückgewonnen werden.
Wenn die Emissionen sämtlicher Quellen entlang der Produktionskette von Zement und Beton gesenkt werden, erscheint nachhaltiger Zement also durchaus realisierbar.