Kalifornien, auch bekannt als der „Golden State“, treibt den Ausbau der Solarenergie voran, aber der Windkraft-Sektor bleibt derzeit noch auf der Strecke. Die Onshore-Windkapazitäten in dem US-Staat beliefen sich Ende 2021 auf insgesamt gerade mal 6.281 Megawatt (MW), wobei seit 2012 nur 1.314 MW hinzugekommen sind (Link in Englisch).
Der Mangel an Onshore-Windrädern erschwert es dem US-Bundesstaat, seine ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Kalifornien, dessen Bruttoinlandsprodukt größer ist als das Indiens, strebt bis 2045 ein Netto-Null-Stromsystem an. Zudem sollen Elektrofahrzeuge bis 2026 35 Prozent und bis 2035 100 Prozent der Neuwagenverkäufe ausmachen. Dazu ist wichtig zu wissen: Mehr als einer von zehn in den USA verkauften Neuwagen wird in Kalifornien zugelassen.
Allerdings sind die Klimaziele sehr ambitioniert. Denn Kalifornien hatte im Jahr 2020 von allen US-Staaten den sechsthöchsten Endkundenstrompreis (Link in Englisch): Mit 18,00 Cent pro Kilowattstunde lag er weit über dem US-Durchschnitt von 10,58 Cent lagen. Dass es kaum neue Onshore-Windparks gibt, trägt nicht unbedingt zur Senkung dieser hohen Preise bei.
Das kalifornische Stromsystem wurde im Jahr 2022 und auch schon 2021 zusätzlich durch massive Dürren und hohe Temperaturen belastet. Sie schmälerten die Erzeugung aus den Wasserkraftwerken des Staates mit mehr als 14 Gigawatt (GW) Kapazität deutlich. Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach Klimaanlagen und dementsprechend auch der Stromverbrauch. Im September 2022 sah sich der kalifornische Stromnetzbetreiber daher mehrfach gezwungen, vor möglichen Stromausfällen zu warnen.
2021 war die Stromerzeugung aus Wasserkraft in Kalifornien auf den zweitniedrigsten Stand seit 1983 gesunken. 2022 sind die Pegel der Wasserreservoirs aufgrund mangelnder Niederschläge sogar noch weiter zurückgegangen. Das wiederum führte nicht nur zu Teil-Stromausfällen, es wurde auch weniger Erneuerbare Energie produziert: Die netzgespeiste Stromerzeugung aus Erneuerbaren ist in den Jahren 2020 und 2021 deutlich zurückgegangen. Allerdings wurde die beträchtliche Erzeugung von Solarstrom durch Privathaushalte und Unternehmen in der Statistik nicht berücksichtigt.
Kalifornien importiert etwa 30 Prozent seines Stroms aus anderen US-Staaten, so dass die Pläne für klimaneutrale Energie und die Zuverlässigkeit des Stromsystems zum Großteil von den Nachbarn des „Golden State“ abhängen. Der zuverlässige Import kann allerdings nicht immer garantiert werden, wie sich im vergangenen Sommer zeigte, als ein Waldbrand – eine weitere Folge der hohen Temperaturen – Übertragungsleitungen für Strom aus Oregon mit einer Kapazität von vier GW lahmlegte.
Dadurch dass Kalifornien große Strommengen importiert, nutzt der Bundesstaat zwar nur eine minimale Menge an selbsterzeugtem Kohlestrom. 2021 kamen aber fast 8 Terawattstunden (TWh) aus anderen Staaten, was etwa drei Prozent des Gesamtverbrauchs entspricht.
Erdgas hat mit knapp über 50 Prozent nach wie vor den größten Anteil am kalifornischen Strommix. Außerdem stammen etwa 9 Prozent der Stromimporte aus Erdgas. Der Anteil von Gas und Kohle an der importierten Stromerzeugung basiert allerdings auf Schätzungen, da die genaue Herkunft einiger Importe nicht bekannt ist.
Auch die Kernenergie spielt eine Rolle, die jedoch eher ab- als zunehmen wird. In Kalifornien gilt seit 1976 ein Moratorium für den Bau neuer Kernkraftwerke. Die letzte in Betrieb befindliche Anlage im Bundesstaat, Diablo Canyon, erhielt im September 2022 eine Laufzeitverlängerung, so dass sie bis 2030 betrieben werden kann.
Um bis 2045 ein emissionsfreies Stromsystem zu ermöglichen, muss Kalifornien nicht nur seinen eigenen Verbrauch an fossilen Brennstoffen, sondern auch seine Abhängigkeit von Stromimporten verringern (Link in Englisch). Gleichzeitig muss die Zuverlässigkeit des Systems inmitten immer extremerer Wetterbedingungen sichergestellt werden.
Es ist unwahrscheinlich, dass der Onshore-Windmarkt das dafür notwendige Wachstum erreicht, solange sich die Gesetzgebung zu Landnutzungsbeschränkungen nicht ändert, die die Entwicklung neuer Projekte behindern. Die Offshore-Windkraft bietet hingegen ein erhebliches Potenzial für große Strommengen (Link in Englisch) und könnte dazu beitragen, dass Kalifornien sein Ziel einer emissionsfreien Stromversorgung erreicht.
Ihr Ausbau würde die Entwicklung anderer klimaneutraler Technologien wie Onshore-Windkraft, Solarenergie und Stromspeicherung vervollständigen, nicht nur in Kalifornien, sondern im gesamten Westen der USA.
Das „US National Renewable Energy Laboratory“ (Link in Englisch) schätzt, dass Kaliforniens ausgeprägte Küstenlinie ein technisches Ressourcenpotenzial von 201 GW bietet – genug, um den gesamten Strombedarf des Staates mehr als zweimal zu decken. Der Nachteil ist, dass Kalifornien bei der Offshore-Windkraft nahezu bei null anfängt und aufgrund der tiefen Gewässer des Pazifiks fast die gesamte potenzielle Kapazität in Form von schwimmenden Windrädern und nicht in Form von traditionellen, fest installierten Anlagen entwickelt werden müsste.
Nichtsdestotrotz ist die sogenannte Floating-Technologie ein zunehmend bewährtes Konzept. Der schwimmende Windpark Hywind mit einer Leistung von 30 MW ist beispielsweise seit 2017 vor Schottland in Betrieb. Und die Zahl der Floating-Offshore-Konzepte hat sich seither stark erhöht.
Darüber hinaus hat Kalifornien seine Bereitschaft gezeigt, auf Offshore-Wind zu setzen, und Ausbauziele von zwei bis fünf GW Kapazität bis 2030 und 25 GW bis 2045 festgelegt. Diese hätten bei einer Realisierung enormen Einfluss darauf, dass der Staat sein Netto-Null-Stromziel erreicht.
Das größte Potenzial für Offshore-Windkraftanlagen bieten vor allem drei Gebiete: Humboldt, Morro Bay und Diablo Canyon. Das erste Gebiet ist etwas isoliert vom Hauptstromnetz Kaliforniens, während die beiden anderen weniger Investitionen in die Onshore-Übertragung benötigen würden.
Die kalifornische Energiekommission (CEC) (Link in Englisch) bereitet derzeit eine Reihe von Maßnahmen vor, die einen strategischen Plan für die Entwicklung der Offshore-Windenergie bilden sollen. Dieser soll bis zum 30. Juni 2023 vorgelegt werden. Er muss Flächen für Windparks und geeignete Hafenanlagen ausweisen sowie die notwendigen Investitionen in die Übertragung und die Aufrüstung an Land bewerten. Außerdem ist ein Genehmigungsfahrplan mit Zeitrahmen und Schwerpunkten für die Entwicklung des Sektors erforderlich.
Eine solche Zielvorgabe würde Klarheit und Sicherheit für Investitionen in der Lieferkette schaffen und somit die Branche vorantreiben.
Kaliforniens arbeitet zusammen mit der US-Regierung daran, vermehrt in die Offshore-Windkraft zu investieren. Im Oktober 2022 veröffentlichte das „Bureau of Ocean Energy Management“ (Link in Englisch) eine endgültige Verkaufsbekanntmachung für Pachtgebiete mit einer Kapazität von drei GW in der Morro Bay und 1,5 GW in der Humboldt-Region. Jeder Anbieter von Offshore-Windkraftanlagen kann nur ein Gebot pro Gebiet abgeben. Der Termin der Auktion für fünf Pachtgebiete wurde auf den 6. Dezember 2022 festgelegt.
Die US-Regierung hat sich außerdem das Ziel gesetzt, bis 2035 eine schwimmende Offshore-Windkraftkapazität von 15 GW zu erreichen. Damit setzt sie ein deutliches Zeichen pro Offshore-Windenergie und signalisiert, dass Offshore-Windkraft einen maßgeblichen Beitrag beim Erreichen der Klimaziele der USA leisten soll.
Mit dem nun festgelegten Datum für die erste Auktion (Link in Englisch) wird Kalifornien die Erschließung Offshore-Windenergie beginnen und seinen Bestand an Techniken zur Erzeugung Erneuerbarer Energien um eine wichtige neue Ressource erweitern.