Die USA haben in den vergangenen Monaten einige Gesetze verabschiedet, um die Energiewende massiv zu beschleunigen. Auch eine ausgebaute Wasserstoffinfrastruktur soll beispielsweise durch umgerüstete Pipelines entstehen, um fossile Energieträger und Rohstoffe ersetzen.
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Vordergründig geht es der US-Regierung und Präsident Joe Biden mit dem Inflation Reduction Act (IRA) darum, Wirtschaft und Kaufkraft in den USA zu stärken. Tatsächlich wird wohl ein Großteil des Budgets von rund 390 Milliarden US-Dollar in die Restrukturierung der Energieversorgung fließen.
Markus Krebber, CEO des Energiekonzerns RWE, nannte den Namen des Gesetzes deshalb kürzlich eine „Fehlbezeichnung“ oder gar „Irreführung“. Es handele sich wohl eher um ein „Zehn-Jahres-Infrastruktur-Aufbau-und-Ausbau-Programm“, sagte Krebber auf der Messe „Euroblech“ in Hannover. Für Energieversorger seien die Bedingungen derzeit nirgendwo besser als in den USA.
Für die europäische Industrie hat das Programm jedoch einen Haken: Damit Hersteller von Produkten von den Subventionen profitieren, muss ein sehr hoher Teil der Wertschöpfung in den USA anfallen. Deshalb warnen Politiker und Vertreter der deutschen Industrie vor einem Subventionswettlauf oder gar einem transatlantischen Handelskrieg.
Der im August 2022 verabschiedete IRA ist nicht das einzige Programm, mit dem Washington die Energiewende der USA vorantreiben will. Bereits im November 2021 hatte die Regierung mit dem Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) (link in Englisch), auch als Bipartisan Infrastructure Law (BIL) (Link in Englisch) bekannt, dem US-Energieministerium ein Budget von 62 Milliarden Dollar zugesichert.
Beide Gesetze sehen erhebliche Mittel für eine künftige Wasserstoffwirtschaft vor. Aus dem BIL sind allein 9,5 Milliarden für den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft reserviert. Damit sollen auch H2-betriebene Fahrzeuge und Tankstellen begünstigt werden. Das eigentliche Herzstück der Wasserstoffstrategie aber ist wohl eine Steuergutschrift von bis zu drei US-Dollar pro produziertem Kilogramm Wasserstoff.
Ziele und Leitlinien für den Aufbau einer Branche für „sauberen“ Wasserstoff sind in der „Clean Hydrogen Strategy“ (Link in Englisch) des Energieministeriums formuliert: Als „grün“ gilt H2 demnach, wenn es mittels Erneuerbarer Energie – etwa per Wasserstoffelektrolyse – hergestellt worden ist. Förderfähig sind in den USA aber auch andere Formen der H2-Gewinnung.
„Blauer“ Wasserstoff wird mit herkömmlichen Verfahren aus Erdgas gewonnen. Im Gegensatz zu konventionellen – „grauem“ – Wasserstoff, werden dabei jedoch die entstehenden Treibhausgase eingefangen und gespeichert. Von „rosa“ Wasserstoff spricht man, wenn der Strom für die Elektrolyse aus Kernkraft stammt und deshalb keine Treibhausgasemissionen anfallen. Auch rosa Wasserstoff gilt in den USA als „sauber“.
Die volle Förderung von drei Dollar soll es jedoch nur für die grüne Variante geben. Auf diese Weise könnte der Preis für Kunden auf 1,5 bis 2,5 US-Dollar pro Kilogramm H2 gesenkt werden. Damit wäre er wettbewerbsfähig mit grauem Wasserstoff, dessen Preis meist ebenfalls in diesem Bereich rangiert.
Parallel will die US-Regierung Technologien fördern, die eine massive Senkung der Produktionskosten entlang der gesamten H2-Wertschöpfungskette versprechen. Der Preis soll so innerhalb eines Jahrzehnts auf einen Dollar pro Kilogramm gesenkt werden. Dies ist eines der drei zentralen Ziele der Wasserstoffstrategie.
Ein weiteres Hauptziel sieht vor, zuerst solche Anwendungen mit sauberem Wasserstoff zu versorgen, bei denen mit wenig Aufwand große Emissionsminderungen erreichbar sind. Wichtig sei dies insbesondere, solange das Angebot begrenzt ist.
Dazu gehört zum Beispiel die Herstellung von wichtigen Grundstoffen wie Ammoniak und Methanol. Hier könnten bereits in den nächsten Jahren mehr als 90 Prozent der Emissionen vermieden werden, indem fossiler Wasserstoff 1:1 durch sauberen ersetzt wird. Ab den 2030er-Jahren könnte H2 dann vermehrt auch zur Stahlproduktion sowie als Energieträger eingesetzt werden – etwa für den Langstrecken-Schwerlastverkehr oder für Prozesswärme über 300 Grad.
Auch in Kraftwerke soll Wasserstoff zur Stromerzeugung verwendet werden, da er deutlich niedrigere Speicherkosten für große Mengen Energie hat als beispielsweise Lithium-Ion-Batterien, wie unter anderem eine interdisziplinäre Studie des Massachusetts Institute of Technologiy (MIT) (Link in Englisch) kürzlich festhielt.
Erreichbar sind derartige Kostensenkungen nur mit Produktions- und Transportkapazitäten für entsprechende Mengen Wasserstoff. Dafür will die Regierung den Aufbau regionaler Netzwerke fördern. Allein acht der 9,5 Milliarden US-Dollar aus den IIJA/BIL-Töpfen sind dafür reserviert.
Laut einer Analyse des Center for Strategic & International Studies (Link in Englisch) hatten sich Mitte 2022 bereits 21 Cluster verstreut über alle Regionen der 48 zusammenhängenden Bundesstaaten zusammengefunden. 14 davon wollen Erneuerbare Energien zur H2-Erzeugung nutzen, vier planen zudem mit Kernkraft. Zehn der Netzwerke wollen (auch) blauen Wasserstoff produzieren. Der Ausschreibung (Link in Englisch) zufolge werden sechs bis zehn der Netzwerke eine Förderung erhalten. Bis April 2023 müssen dem Energieministerium die endgültigen Bewerbungen vorliegen.
In einer Analyse des unabhängigen Non-Profit-Institutes „Resources“ (Link in Englisch) wünschen sich die Autoren noch etwas mehr Klarheit über die Auswahlkriterien. Unterm Strich loben sie die H2-Strategie aber: „Dieses Programm hat das Potenzial, den Aufbau einer sauberen Wasserstoffwirtschaft zu zünden, und die CO2-Emissionen in vielen Bereichen zu reduzieren.“