Schottland hat sich eines der ehrgeizigsten Klimaziele der Welt gesetzt: bis 2045 mit Netto-Null-Emissionen wirtschaften. Um das zu erreichen, sind die Meere von zentraler Bedeutung, denn sie sind der ideale Standort für die Erzeugung von Offshore-Windenergie.
Aufgrund der geografischen Lage Schottlands und der vorgelagerten Inseln machen die schottischen Gewässer 63 Prozent der gesamten Ausschließlichen Wirtschaftszone des Vereinigten Königreichs aus – also des Meeresgebiets, an dem den Küstenländern durch das UN-Seerechtsübereinkommen exklusive Rechte zugesichert werden. Nachdem die schottischen Meere bereits Öl und Gas lieferten, scheinen sie nun wegen der starken und reichlichen Seewinde auch eine Schlüsselrolle für die Erreichung der Klimaziele des Landes zu spielen.
Die schottische Regierung hat Anfang des Jahres 2023 einen Entwurf für eine Energiestrategie veröffentlicht (Link in Englisch), in dem klare Ausbauziele für die Windenergie auf dem Festland und vor der Küste festgelegt sind. Dazu gehören die Erhöhung der installierten Offshore-Windkapazität auf acht bis 11 Gigawatt (GW) bis 2030 und eine zusätzliche Installation von insgesamt 12 GW Onshore-Windkraftanlagen. Derzeit liegt die installierte Onshore-Wind-Kapazität bei etwa acht GW.
Die Menge der Onshore-Windkraftanlagen, die bereits in Betrieb, im Bau, in Planung oder in Vorbereitung sind, erreichen damit bereits jetzt die angestrebte Kapazität von 20 GW. Auch die Zusagen für Offshore-Windkraftanlagen, die im Rahmen fortlaufender Vergabeverfahren gemacht wurden, übersteigen das Ziel von acht bis 11 GW bei Weitem. Es gibt also gute Gründe zu erwarten, dass Schottland zu einem wichtigen Exporteur überschüssiger Erneuerbarer Energie wird – entweder in Form von grünem Strom oder in Form eines anderen Energieträgers wie beispielsweise Wasserstoff.
Die Windenergie ist zwar die Basis der Edinburgher Energiepolitik, aber Schottland möchte auch andere Formen Erneuerbarer Energien fördern, um ein vielfältigeres und widerstandsfähigeres Energiesystem zu schaffen. In diesem Sinne fordert Edinburgh die Regierung des Vereinigten Königreichs auf, Marktmechanismen zu schaffen, die den Ausbau von Wasserkraft und die Entwicklung von Pumpspeichern unterstützen. In den vergangenen Monaten wurden außerdem Pläne für eine Reihe neuer Pumpspeicherkraftwerke vorgeschlagen, die Schottlands wachsender Flotte von Windparks dringend benötigte Flexibilität verschaffen könnten.
Darüber hinaus entwickelt die schottische Regierung Strategien zur Förderung der Solarenergie, zur Steigerung der Bioenergieproduktion und zur Entwicklung der Wellen- und Gezeitenkraftressourcen. Das Land ist seit Langem Sitz des Europäischen Meeresenergiezentrum (Link in Englisch), in dem viele innovative Technologien weiterentwickelt werden. Auch wenn es Zeit braucht, bis sie Marktreife erlangen, wird erwartet, dass erneuerbare Meerestechnologien eine wachsende Rolle bei der Energiewende spielen werden – sowohl im Inland als auch international und insbesondere nach 2030.
Ehrgeizige Pläne stellte die Regierung auch für den Wasserstoff-Ausbau auf. Hier strebt sie eine Wasserstoffproduktion von 5 GW aus erneuerbaren und kohlenstoffarmen Quellen bis 2030 an, die bis 2045 auf 25 GW aufgestockt werden soll. Dies dürfte den Export grüner Energie in flüssigen oder gasförmigen Energieträgern ermöglichen und der schottischen Energiewirtschaft eine Reichweite verschaffen, die über die geografischen Beschränkungen des Stromexports hinausgeht.
Im Dezember 2022 veröffentlichte die schottische Regierung einen Wasserstoff-Aktionsplan (Link in Englisch), der darauf abzielt, den überschüssigen grünen Strom in Schottland zu nutzen, um Wasserstoff für den Export zu produzieren. Das Vorhaben würde auch das Ziel der EU unterstützen, bis 2030 jährlich 10 Millionen Tonnen Wasserstoff zu importieren.
Eine im Jahr 2020 durchgeführte Bewertung des schottischen Wasserstoffpotenzials (Link in Englisch) ergab, dass das Land zusätzlich zur Deckung des Inlandsbedarfs jährlich etwa 2,5 Millionen Tonnen des Gases für den Export in das Vereinigte Königreich und andere europäische Märkte produzieren könnte.
Schottland ist beim Einsatz von Windenergie bereits weit fortgeschritten. 2010 hat RWE den ersten kommerziellen Offshore-Windpark Schottlands, Robin Rigg, in Betrieb genommen. Außerdem beherbergt das Land die weltweit ersten kommerziellen schwimmenden Offshore-Windparks. Zukunftspläne für die schottische Windkraft wurden insbesondere durch das ScotWind-Auktionsprogramm vorangetrieben. In dessen Rahmen wurden 20 Vereinbarungen für die Nutzung des Meeresbodens mit vorläufigen Zusagen in Höhe von insgesamt 28,8 Milliarden Pfund getroffen. 13 der 20 Projekte sind für schwimmende Windparks bestimmt. Es wird erwartet, dass ScotWind (Link in Englisch) so in den nächsten zehn Jahren bis zu 27,6 GW an neuer Stromerzeugungskapazität schaffen wird.
Die schottische Windenergie wird auch dazu beitragen, den Öl- und Gassektor des Landes durch die Elektrifizierung von Öl- und Gasanlagen zu dekarbonisieren. Crown Estate Scotland gab am 24. März 2023 die Ergebnisse des INTOG-Verpachtungsverfahrens bekannt, das speziell für diesen Zweck entwickelt wurde. In dieser Runde wurden 13 Projekte mit einer Gesamtkapazität von 5,416 GW (Link in Englisch) vergeben.
Diese und weitere Projekte tragen zum enormen Wachstum der schottischen Offshore-Pipeline bei. Diese beläuft sich inzwischen auf eine Kapazität von insgesamt fast 70 GW. Dazu zählen nach dem Stand von Ende Juni 2022 auch 13,25 GW Offshore-Kapazität in Betrieb, 3,25 GW im Bau, 7,07 GW, die kurz vor der Umsetzung standen und 6,41 GW in Planung. Somit sind die Erwartungen groß, dass die schottische Regierung ihr Ziel für die Offshore-Windenergie erhöht und damit einen Sektor ankurbelt, der für die wirtschaftliche Zukunft Schottlands und das Erreichen des Netto-Null-Emissionsziels bis 2045 von zentraler Bedeutung sein wird.