Der European Green Deal ist ein Meilenstein auf dem Weg der EU, die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen. In dieser Serie werfen wir einen Blick auf einige der Schlüsselelemente im Bezug auf den Energiesektor, das europäische Klimagesetz, den Investitionsplan, die Industriestrategie und den Aktionsplan für eine Kreislaufwirtschaft.
Die Klimaziele bedeuten für die Industrie eine große Herausforderung. Und damit auch für die Europäische Union: 35 Millionen Menschen arbeiten hier in der Industrie. Der Sektor leistet rund 20 Prozent der gesamten Wertschöpfung. 80 Prozent des Güterexports werden mit Industrieprodukten erwirtschaftet.
Gleichzeitig ist es für die Industrie besonders schwer, die Treibhausgasemissionen zu senken. Denn viele Prozesse sind nicht nur energieintensiv – vor allem, weil sie viel Hitze benötigen. Sie sind auch auf Rohmaterialien angewiesen, die bisher hauptsächlich aus fossilen Rohstoffen gewonnen werden. Um Alternativen zu finden, ist also kostspielige Forschungsarbeit notwendig, ohne dass es eine Garantie für baldigen Erfolg gäbe. Vielmehr ist selbst bei funktionierenden Innovationen erst nach Jahren mit Gewinnen zu rechnen, weil erst eine massenhafte Nutzung die Kosten auf ein lukratives Maß schmelzen lassen.
Eine hohe Bepreisung von CO2-Emissionen oder andere Auflagen zur Senkung der Emissionen bedeuten für Industrieunternehmen also einen erheblichen Wettbewerbsnachteil in Europa gegenüber Ländern, in denen es keine vergleichbaren Maßnahmen gibt. Mittelfristig könnte es ihnen aber auch Vorteile bringen. Nämlich dann, wenn sie unter dem Innovationsdruck zu Vorreitern werden
„Europas Industrie muss umweltfreundlicher, kreislauffähiger und digitaler werden und zugleich weltweit wettbewerbsfähig bleiben“, heißt es in einem „Factsheet“ der Kommission. Die Hebelkraft des EU-Binnenmarkts soll den Unternehmen dabei helfen, globale Standards zu setzen. Der „Green Deal“ der EU, die Digitalisierung und die „Europäische Industriestrategie“ sollen sich dabei gegenseitig antreiben.
In Anbetracht der Größe und der Dringlichkeit der Herausforderung, müsse jede Industriepolitik auch eine Innovationsstrategie beinhalten, heißt es bei der Europäischen Kommission. Wenn Europa die doppelte Wende – in Sachen Nachhaltigkeit und Digitalisierung – anführen will, müsse jegliche Industriepolitik eine industrielle Innovationsstrategie sein.
Ein Beispiel dafür ist die kürzlich angekündigte H2-Strategie der EU: Grüner Wasserstoff eröffnet die Möglichkeiten eine große Bandbreite von Wirtschafts- und Industriezweigen nachhaltiger zu machen: Angefangen beim Verkehr, wo er Brennstoffzellenfahrzeuge antreiben kann, über die chemische Industrie, wo er fossilen Wasserstoff substituiert, bis hin zur Industrie allgemein, wo Wasserstoff zur Erzeugung von Strom und Prozesswärme eingesetzt werden kann. Für jeden dieser Einsatzbereiche wird es technologische und digitale Innovationen brauchen, sodass aus diesem Bedarf ein eigener Industriezweig entstehen könnte.
Die konkreten Ideen zur Dekarbonisierung der Industrie sollen aus den Unternehmen kommen. Die EU will dann vielversprechende Projekte im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (PPPs) fördern: „Die europäischen industriellen Ökosysteme bringen die maßgeblichen Akteure zusammen: Hochschul- und Forschungsinstitute, Zulieferer, KMU und größere Unternehmen.“
Die Industriestrategie sieht viele weitere Elemente vor, darunter einheitliche Marktregeln für die gesamte EU. Außerdem soll sichergestellt werden, dass kein „Carbon Leakage“ stattfindet, also dass die in der EU eingesparten Emissionen in andere Länder oder Weltregionen anfallen. Dann nämlich blieben die weltweiten Emissionen gleich und europäische Produzenten hätten das Nachsehen. Deshalb will die EU verhindern, dass billige, weniger nachhaltige Produkte emissionsarme EU-Güter verdrängen oder Produktionsstätten aus der EU in Länder mit schwächeren Auflagen verlagert werden. Dafür hat die Europäische Kommission einen Mechanismus vorgeschlagen, der durch eine CO2-Steuer auf Importe gleiche Wettbewerbsbedingungen für Binnen- und Einfuhrprodukte herstellen soll.
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