Nördlich der schroffen Berglandschaft der spanischen Sierra Nevada erstreckt sich auf rund 1000 Metern Höhe die Hochebene von Guadix, die zu den entlegeneren Gebieten Andalusiens gehört. Doch seit 2007 spielt sie eine zentrale Rolle in der spanischen Energiewende. Damals ging mit Andasol 1 das erste große Solarthermie-Kraftwerk Europas ans Netz. Inzwischen sind auch Andasol 2 und Andasol 3 in Betrieb. Jede der drei Ausbaustufen speist bis zu 50 Megawatt in das spanische Stromnetz ein – bei Tag und sogar bei Nacht.
Möglich ist das, weil die Kraftwerke die Sonnenstrahlen nicht wie Photovoltaikanlagen (PV) direkt in Strom umwandeln. Vielmehr konzentrieren sie die Sonnenstrahlung, um Wärme zu gewinnen, welche auch in Salzstanks u.a. für den Nachtbetrieb gespeichert wird. Diese Wärme nutzen die Kraftwerke, um Wasserdampf zu erzeugen, der dann – wie in einem konventionellen Kraftwerk – über Turbinen einen Generator antreibt.
Bewährt haben sich bisher zwei Bauarten von Solarthermie-Kraftwerken. Bei Solarturmkraftwerken lenken zahllose Spiegel das Sonnenlicht auf einen Wärmeabsorber, der auf einem Turm oder Hügel installiert ist. Die Spiegel richten sich automatisch nach der Sonne aus, sodass die Strahlen zu jedem Zeitpunkt des Tages optimal auf den Absorber gelenkt werden. Meist wird zunächst ein Thermoöl oder Salz erhitzt, das dann den Wasserdampfkreislauf antreibt.
Andasol 1 bis 3 sind Parabolspiegel-Kraftwerke. Sie nutzen das physikalische Phänomen, dass jeder Sonnenstrahl, der auf das Innere eines Parabolspiegels trifft durch denselben Brennpunkt reflektiert wird. Ein Kraftwerk besteht aus mehreren Reihen eindimensional gerundeter Spiegel, sodass aus dem Brennpunkt eine Brennlinie wird. Durch sie verlaufen die geschwärzten Absorberrohre mit Wärmeträgerflüssigkeit. Die Spiegelreihen verlaufen in Nord-Süd-Richtung. Morgens zeigt ihre Öffnung nach Osten, im Tagesverlauf drehen sie sich mit dem Stand der Sonne nach Westen.
In den Andasol-Kraftwerken trifft das gebündelte Sonnenlicht mit etwa der 80-fachen Energie auf die Wärmeabsorber und erhitzt das darin enthaltene Thermoöl auf bis zu 400 Grad Celsius. Das reicht, um neben dem Wasserdampfkreislauf auch noch einen Wärmespeicher zu erhitzen. Die 28.500 Tonnen Flüssigsalz können genug Wärme für mehr als sieben Volllaststunden speichern.
Auf diese Weise können nicht nur die Phasen mit unzureichender Sonneneinstrahlung überbrückt werden, gerade im Sommer lässt sich Betriebsdauer nach Sonnenuntergang verlängern bis hin zum 24 Stunden Betrieb . Die Wärmespeicher sind eine verhältnismäßig preiswerte Methode, die jährliche Betriebsdauer von Solarthermie-Kraftwerken und damit ihre Profitabilität zu erhöhen.
Grundsätzlich lohnen sich Solarthermie-Kraftwerke ausschließlich an Orten mit sehr starker Sonneneinstrahlung. Denn während PV-Anlagen mit dem ersten Sonnenstrahl Strom produzieren, benötigt die Wasserdampferzeugung, mit der dann die Turbine angetrieben wird, eine ganze Menge Energie auf einmal und eine Vorlaufzeit, um die nötigen Betriebsbedingungen (Dampfparameter) zu erreichen. Dann aber können nach Berechnungen der Investmentbank Lazard die durchschnittlichen Gestehungskosten einer Megawattstunde Strom unter 100 US-Dollar fallen – vorausgesetzt ein Wärmespeicher erweitert die Auslastung der Generatoren.
Damit wäre der Strom zwar immer noch teurer als der aus großen Photovoltaik-Kraftwerken. Dafür können Solarthermie-Kraftwerke mit Speichern versorgungssicher Strom produzieren, und zwar auch dann, wenn die Strompreise steigen – etwa, weil den PV-Anlagen die Sonne fehlt.
Mit Solarthermie-Kraftwerken ist sogar ein Lastfolgebetrieb denkbar. Das heißt, dass die Stromproduktion dem aktuellen Bedarf im Netz angepasst werden kann und somit auch eine stabilisierende Wirkung auf selbiges hätte. Derzeit gilt dies allerdings nicht als profitables Geschäftsmodell, da Auslastung und Wirkungsgrad sinken. In einem CO2-Emissions-freien Energiesystem könnten sie aber genau diese Rolle übernehmen.
Eine noch höhere Flexibilität lässt sich durch Integration weiterer Energieträger erzielen. Im Solarkomplex Solnova nahe Sevilla etwa kann der Wasserdampfkreislauf mit Erdgas oder Bio-Methan in Gang gehalten, falls zu wenig Sonne scheint.
Solarthermie-Kraftwerke gelten aber auch deshalb als wichtige Alternative zu PV-Kraftwerken, weil sie deutlich weniger Fläche verbrauchen: So gibt der spanische Energiekonzern Iberdrola für den derzeit größten PV-Park Europas „Núñez de Balboa“ in der südspanischen Provinz Badajoz eine jährliche Produktion von 832 Gigawattstunden (MWh) an – auf einer Fläche von 1000 Hektar (ha), also 0,832 GWh/ha. Zum Vergleich: Das Solarfeld von Andasol 3, das übrigens zu 75 Prozent deutschen Unternehmen, darunter RWE Renewables, gehört, nimmt nur 50 Hektar ein und liefert pro Jahr 142 GWh, also 2,8 GWh/ha.
Das größte Solarthermie-Kraftwerk der Welt steht übrigens in der Mojave Wüste in Kalifornien: Die drei Einheiten des Solarturmkraftwerks Ivanpah haben eine Nennleistung von 392 MW und liefern nach Daten der US-Energiebehörde EIA jährlich rund 730 GWh Strom. Vier Prozent davon werden mit Erdgas erzeugt, der Rest mit Sonnenenergie.
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