Es könnten Fehlspekulationen gewesen sein, die im Juni für Engpässe bei der Stromversorgung in Deutschland geführt haben. Danach hätten Händler an der Strombörse ihre Pflicht vernachlässigt, für einen ausgeglichenen Bilanzkreis zu sorgen.
Jeder Marktteilnehmer muss nämlich dafür sorgen, dass die Summe seiner Einspeisungen und Stromkäufe stets genauso hoch ist wie die Summe seiner Verkäufe und seiner Abgabeverpflichtung – und zwar im Viertelstundentakt. Dieser knappe Zeitraum ist der Sensibilität der Netzstabilität geschuldet: Stromverbrauch und Einspeisung müssen sich die Waage halten, sonst droht ein Stromausfall.
Kleine Schwankungen werden über Regelenergie ausgeglichen; die wird von den Übertragungsnetzbetreibern koordiniert. Sie reicht aber nur dann aus, wenn Erzeuger, Großverbraucher, also Industrieunternehmen und Versorgungsbetriebe, sowie Stromhändler einigermaßen die Spur halten.
Das war relativ einfach, solange es genügte, die Leistung von Kohle- und Gaskraftwerken hoch- und runterzufahren. Mit dem wachsenden Beitrag von Windkraft und Sonnenenergie ist dies schwieriger geworden, weil die Erneuerbaren bekanntlich nur in Abhängigkeit vom Wetter einspeisen können.
Denn so gut Meteorologen inzwischen auch das Wetter vorhersagen können – die Einspeisung der Erneuerbaren stellt einen Unsicherheitsfaktor bei der Einspeisung dar. Wenn Energie im Netz fehlt, kann es hektisch werden an der Strombörse, weil etwa der Wind plötzlich abgeflaut ist oder sich unerwartet Wolken gebildet haben.
Einzelne Abnehmer erhalten dann nicht die Menge Strom, mit der sie gerechnet haben. Sie müssen also schleunigst am Spotmarkt nachkaufen. Die Händler geben die entsprechenden Marktsignale an die Erzeuger weiter: Wer kann kurzfristig noch etwas Strom bereitstellen?
Mit dem Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung ist daher auch die Bedeutung des tagesinternen Stromhandels gestiegen. Dabei kann eine Strommenge noch fünf Minuten vor dem Verbrauch gekauft werden.
In Deutschland ist das Volumen dieses sogenannten Intraday-Handels seit Jahren kontinuierlich gestiegen. Nach den Zahlen im Monitoringbericht 2018 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt hat sich das getätigte Handelsvolumen von insgesamt zehn Terawattstunden (TWh) im Jahr 2010 auf 47 TWh im Jahr 2017 nahezu verfünffacht.
Verglichen mit dem täglichen Verbrauch sind die am Spotmarkt gehandelten Energiemengen klein: 2017 machten sie 2,7 Prozent des gesamten Stromhandels in Deutschland und weniger als ein Prozent des Verbrauchs aus. Wie bedeutsam dieses eine Prozent jedoch ist, haben die drei Tage im Juni gezeigt, an denen die Übertragungsnetzbetreiber Strom aus dem Ausland zukaufen mussten, um einen Stromausfall zu verhindern.
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