Die Expertenwelt ist sich einig: Für das Erreichen der Pariser Klimaziele müssen die erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten stark ausgebaut werden. Wie groß der Bedarf nach nachhaltigen Strom genau sein wird, haben nun Experten auf drei Szenarien aufgeteilt prognostiziert. Wichtiges Fazit des Bericht „New Energy Outlook 2021“ des Energiemarktforschungsunternehmens BloombergNEF: Um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, muss der jährliche Zubau der Windenergie mehr als verfünffacht und der der Solarenergie mehr als verdreifacht werden. In Zahlen ausgedrückt: 505 Gigawatt (GW) an Wind-, und 455 GW an Solarkapazität müssten weltweit jedes Jahr ans Netz gehen.
Auf Grundlage bisheriger Trends berechnen die Experten, dass die weltweiten Emissionen im Energiesektor bis 2030 um 30 Prozent fallen müssen, bis 2040 sogar um 75 Prozent. Damit könnte die globale Erwärmung auf etwa 1,75° C begrenzt werden. In drei Szenarien – grünes, graues und rotes Szenario – beschreiben sie, wie die Treibausgasemissionen gesenkt werden können. Dabei ist die Herausforderung, dass fossile Brennstoffe mit 83 Prozent die weltweite Energieversorgung heutzutage noch deutlich dominieren. Erneuerbare Energien liegen momentan bei etwa zwölf Prozent, mit einem Gesamtanteil von Wind- und Solar von gerade einmal 1,3 Prozent, während Kernkraft für die restlichen fünf Prozent verantwortlich ist.
Das grüne Zukunftsszenario konzentriert sich auf den Ausbau Erneuerbarer Energien und von grünem Wasserstoff. Nach diesem Szenario würde die Energieversorgung im Jahr 2050 zu 85 Prozent mit Erneuerbaren gedeckt, während fossile Brennstoffe nur noch 10 Prozent der Verteilung ausmachen. Im grauen Szenario wird der Fokus auf Technologien zum Abscheiden und Speichern von CO2-Emissionen gelegt, um fossile Brennstoffe weiterhin zu nutzen – immerhin noch zu 52 Prozent im Jahr 2050. Doch auch in diesem Szenario werden Erneuerbare gefördert und sollen 2050 immerhin 42 Prozent der Energieversorgung ausmachen. Im roten Szenario ist der Ausbau der Erneuerbaren am schwächsten – bei gerade mal 27 Prozent der Energieversorgung. Dieser Weg setzt in erster Linie auf die Kernkraft, die 2050 für 66 Prozent der Energieversorgung aufkommen sollen. Besonders spannend ist das grüne Szenario.
Ein zentraler Faktor bei allen drei Szenarien: Der Anteil von Strom am Endenergieverbrauch wird stark ansteigen, um Emissionen beispielsweise im Verkehr, in Gebäuden oder in der Industrie zu senken. Im grauen Szenario wird 2050 mit fast 62.200 Terrawattstunden (TWh) am wenigsten Elektrizität gebraucht, doch auch das wäre doppelt so viel wie aktuell erzeugt wird. Im grünen Szenario wird eine große Menge Strom allein schon für die Produktion von nachhaltigen Wasserstoff benötigt. Hier errechnen die Experten eine Strombedarf von 121.500 TWh für 2050 – etwa 4,5-mal mehr als heutzutage. Damit steigt der Anteil von Elektrizität im Endenergieverbrauch auf fast 50 Prozent an, im Vergleich zu den heutigen 19 Prozent.
Damit diese gewaltigen Strommengen in Zukunft erzeugt werden können, braucht es laut der Studie einen jährlichen Zubau von 505 GW an Wind-, und 455 GW an Solarkapazität. Das entspricht etwa 5,2-Mal so viel Windkapazität, wie sie 2020 installiert wurde und etwa 3,2-Mal so viel Solarenergie. Zusätzlich müssten jährlich Batteriespeicher mit einer Speicherkapazität von 245 Gigawattstunden (GWh) installiert werden. Das entspricht etwa 26-mal mehr Wachstum bei der Speicherkapazität als sie im Jahr 2020 gewachsen ist.
Die Solarkraft wird nach der Studie die zentrale Rolle spielen: Über alle drei Szenarien hinweg wird sie anteilsmäßig am stärksten ausgebaut werden müssen. Im grünen Szenario sollen bis 2050 PV-Anlagen mit einer Kapazität von 16,5 Terrawatt (TW) installiert worden sein und selbst im grauen Szenario beläuft sich die Kapazität noch auf 7,3 TW. An zweiter Stelle findet sich Onshore-Windkraft mit 15,4 TW im grünen Szenario und 5,6 TW im grauen gefolgt von Offshore-Wind mit zwischen 1,4 TW im grauen und 9,8 TW im grünen Szenario
Auch Wasserstoff soll einen wichtigen Baustein bei der Emissionsminderung darstellen. Dafür sollen bis 2030 bereits Elektrolyse-Anlagen mit einer Kapazität von 1,9 TW bereitgestellt werden, um den Sektor in Schwung zu bringen. Besonders das grüne Szenario stützt sich auf den klimafreundlichen Brennstoff. Hier soll er 2050 22 Prozent des Energieverbrauchs decken und würde damit nach der Elektrizität an zweiter Stelle liegen – und das obwohl er heutzutage nur einen vernachlässigbar geringen Anteil von 0,002 Prozent einnimmt. Verbesserungen der Elektrolysetechnologie werden zwar laut den Experten zu einer Reduzierung des benötigten Stroms führen, aber die Studie berechnet für das grüne Szenario immer noch einen Strombedarf von fast 60 TWh allein für Wasserstoffproduktion – knapp doppelt so viel Strom, wie heutzutage produziert wird.
Bildnachweis: © Soonthorn Wongsaita, shutterstock.com