Als erstes Land in Asien will Südkorea bis 2050 klimaneutral werden und verfolgt daher eine deutlich ambitionierte Klimapolitik. So hat die Regierung zuletzt Vorschriften für Stromerzeuger mit einer Gesamtkapazität von mehr als 500 Megawatt (MW) verschärft. Laut dem neuen „Renewable Portfolio Standard“ (RPS) (Link in Englisch) muss der von ihnen produzierte Strom in diesem Jahr zu mindestens 12,5 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen – im Jahr 2026 sind es dann schon 25 Prozent.
Verschärft wurden die Regeln, nachdem Südkorea auf der UN-Klimakonferenz COP26 im schottischen Glasgow sich zu neuen Klimazielen bekannt hatte. Die Regierung in Seoul hat sich dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2030 seine Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber 2017 zu reduzieren. Der asiatische Staat schloss sich zudem der Initiative „Global Methane Pledge“ an und verspricht, den Methanausstoß des Landes im gleichen Zeitraum um 30 Prozent gegenüber 2020 zu senken.
Bislang ist Südkorea extrem abhängig von Importen von Kohle und Flüssigerdgas (LNG – Liquefied Natural Gas), gleichzeitig hat das Land fast keine eigenen fossilen Brennstoff-Ressourcen. So machte 2020 LNG 17,4 Prozent des Strommix aus, Kohle lag bei 36,3 Prozent und Kernkraft bei 27,9 Prozent. Regenative Energiequellen kamen nur auf 6,4 Prozent.
Dabei ist der Strombedarf hoch, denn die Wirtschaft in Südkorea ist abhängig von der Schwer- und Hightech-Industrie. Das Land ist der weltgrößte Schiffsbauer und einer der größten Hersteller von Halbleitern. 2020 verschiffte Südkorea 49,6 Millionen Bruttoregistertonnen an Waren in die Welt – und damit sogar mehr als China. Die Industrie verbraucht 62 Prozent der Energie in Südkorea – ein enorm hoher Anteil, wie die Forschungseinrichtung „Korea Energy Economics Institute“ (Link in Englisch)feststellt.
Da das Land zudem den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie eingeleitet hat, sind die Herausforderungen für den Energiesektor enorm: 81,6 Prozent der Stromerzeugung müssen grün und nachhaltig werden – und dabei gleichzeitig kohlenstoffarme Lösungen für die Industrie des Landes gefunden werden.
Südkorea ist daher gezwungen, erneuerbare Erzeugungskapazitäten im großen Maßstab zu bauen, um genügend Strom für den Energiesektor und die industrielle Dekarbonisierung bereitzustellen.
Dabei hat der Umstieg auf regenerative Energiequellen zahlreiche Vorteile: Die Schwerindustrie hat, zum Bespiel durch Offshore-Windparks, die Möglichkeiten, ihre Importabhängigkeit zu reduzieren. Kostengünstiger sauberer Strom anstatt fossiler Brennstoffe wirken sich zudem positiv auf die Klimabilanzen der Unternehmen aus.
Wie der Umstieg gelingen könnte, zeigt sich in Südkorea bereits in der Solarbranche. In diesem Bereich hat das Land ein rasantes Wachstum hingelegt. 2020 stieg die Kapazität um vier Gigawatt (GW) GW auf mehr als 14,5 GW – das ist bereits fast die Hälfte dessen, was das Land bis 2030 erreicht haben will. Dann sollen Anlagen mit einer Gesamtleistung von 30,8 GW Strom aus Sonnenenergie erzeugen. Allerdings dürfte der weitere Solarausbau durch einen Mangel an geeigneten Flächen begrenzt werden, weshalb bereits jetzt innovative Lösungen wie schwimmende Solaranlagen (Link in Englisch) genutzt werden.
Ansonsten geht der Ausbau der Erneuerbaren Energien eher schleppend voran. Südkorea besaß Ende 2020 bei der Windkraft eine Gesamtleistung von 1.636 MW, davon lediglich 136 MW an Land. Dabei verfügt Südkorea über ein großes Onshore-Windpotenzial, der Ausbau stößt aber auf eine Reihe von Problemen: Das sind beispielsweise komplexe Genehmigungsverfahren, lokaler Widerstand in der Bevölkerung und wachsende Probleme beim Netzanschluss.
Daher sieht die Regierung in Seoul die Offshore-Windenergie als entscheidenden Gamechanger und kündigt einige der bisher ehrgeizigsten Projekte weltweit an. Wenn diese Mega-Projekte realisiert werden, könnte das Ziel von 12 GW beim Offshore-Wind bis 2030 sogar übertroffen werden. Ein Großteil des 16,5-GW-Ziels für Windkraft insgesamt soll also durch Offshore-Wind gedeckt werden.
Im Februar letzten Jahres wurden Pläne für das 8,2-GW-Offshore-Windprojekt Shinan vor der Südwestküste des Landes vorgestellt. Das Projekt wird voraussichtlich rund 48 Billionen Won (40,3 Milliarden US-Dollar) kosten und die Städte Seoul und Incheon mit Strom versorgen. Es wird in zwei Phasen entwickelt, beginnend 2023 bzw. 2026.
Die Regierung setzt dabei auf eine die Beteiligung der heimischen Industrie, entsprechende Fabriken werden in Yeongam und Sinan gebaut. Südkoreanische Unternehmen sollen im Rahmen des von Präsident Moon Jae-in proagierten „Green New Deal“, der sowohl die Dekarbonisierung als auch auf die wirtschaftliche Erholung nach der Coronapandemie als Ziel hat, 47,6 Billionen Won (rund 40 Milliarden US-Dollar) bereitstellen. Dazu kommen öffentliche Mittel in Höhe von 0,9 Billionen Won (rund 750 Millionen US-Dollar).
Um die Ausmaße dieses einzelnen Projektes zu verdeutlichen: Der 8,2-GW-Windpark Shinan würde Südkorea in die Spitzengruppen der Staaten katapultieren, unter denen Großbritannien derzeit mit etwas mehr als 10 GW Kapazität das führende Land weltweit ist.
Der Ankündigung von Shinan im Mai folgte die Enthüllung eines zweiten Megaprojekts, eines schwimmenden 6-GW-Windparks, der vor der Küste der Stadt Ulsan entwickelt werden soll. Dies wäre das mit Abstand größte schwimmende Offshore-Windprojekt der Welt und soll sowohl öffentliche als auch private Investoren anziehen, darunter Geldmittel von großen internationalen Offshore-Unternehmen. Das Projekt wird voraussichtlich 36 Billionen Won kosten. Diese beiden Projekte werden mit einem ebenfalls umfangreichen 4,6-GW-Offshore-Projekt im Südosten des Landes gekoppelt.
Mit zwei Gesetzen im Jahr 2019 (Link in Englisch)– einem Verbesserungsplan für die Wettbewerbsfähigkeit Erneuerbarer Energien sowie dem dritten grundlegenden Energieplan – konzentriert sich die Regierung in Seoul zudem auf die Entwicklung von einheimischem Know-how in den Kernbereichen der Offshore-Lieferkette, wie Rotorblätter und Generatoren. 28,5 Milliarden Won werden von 2018 bis 2022 für große Turbinen bereitgestellt, und die Forschung und Entwicklung von schwimmenden Windkraftanlagen wird zwischen 2020 und 2024 mit weiteren 38 Milliarden Won unterstützt.
Südkorea will diesen Weg allerdings nicht alleine gehen und wirbt um ausländische Offshore-Unternehmen. Eine Reihe von Projekten wurden bereits initiiert, zuletzt im November zwischen RWE Renewables und der Stadt Ulsan, um schwimmende Offshore-Windprojekte mit einer Kapazität von bis zu 1,5 GW zu entwickeln.
Mit Projekt-Pipeline von fast 20 GW in der Planung, bei bisher nur 136 MW installierter Leistung, bündelt Südkorea alle Kräfte, um seine Ausbauziele für die Erneuerbaren zu erreichen. Und sich so zu einem der größten Offshore-Windmärkte Asiens zu entwickeln.