Für menschliche Maßstäbe ist die Energie der Sonne unendlich. In 90 Minuten liefern ihre Strahlen so viel Energie auf die Erde, wie die Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. Selbst in Nordeuropa liefert die Sonne ein Vielfaches der benötigten Energie. Bisher erzeugen wir daraus vor allem Photovoltaik-Strom. Doch in vielen Fällen ist die Nutzung der Wärmestrahlung effizienter. Unsere Serie „Solarthermie“ geht nun auf die Zielgerade. Zum Abschluss sehen wir uns an, wie aus Sonnenenergie gasförmige und flüssige Treibstoffe erzeugt werden, ohne den Zwischenschritt über die Elektrizität zu machen.
Aus Sonnenwärme Treibstoffe herstellen? Mit Hilfe von thermochemischen Prozessen, die Wasser und Kohlendioxid zu Wasserstoff und Kohlenmonoxid reduzieren, ist das möglich. Dafür wird das Sonnenlicht nach dem CSP-Prinzip (Concentrated Solar Power) über ein Feld voller Reflektoren (Heliostaten) auf einen Reaktor in einem Turm gelenkt, wo es die nötige Redox-Reaktion in Gang setzt. Dieses Prinzip kennt man am ehesten aus Solarthermie-Kraftwerken, wo es eine Wärmeträgerflüssigkeit erhitzt, die ein Dampfkraftwerk antreibt.
Die Technologie zur Herstellung von Treibstoffen wird unter anderem am Institut für Solarforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) erforscht. Die Forschergruppe von Thomas Fend konzentriert sich dabei auf die Gewinnung von Wasserstoff.
„In der Theorie hat unser Verfahren einen energetischen Wirkungsgrad von 30 bis 50 Prozent“, sagt Projektleiter Fend. Das wäre eine mittlere Sensation. Zum Vergleich: Ein photovoltaikbetriebener Elektrolyseur wandelt gerade einmal 15 Prozent der eingefangenen Sonnenenergie in Wasserstoff um. Praktisch liegt die Ausbeute der solarthermischen Wasserstoffgewinnung derzeit jedoch nur um die vier Prozent. Das sei vor allem den sehr hohen Temperaturen von 1500 Grad Celsius geschuldet, die nötig sind, um den Prozess in Gang zu setzen, erklärt Fend. Zudem stellten sie außerordentliche Anforderungen an die Baumaterialien. Deshalb suchen die DLR-Forscher nach einem Reaktormaterial, das die nötigen Redox-Prozesse bei niedrigeren Temperaturen ermöglicht.
An der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich kämpft ein Forscherteam mit ähnlichen Problemen. Dennoch ist man hier bereits einen Schritt weiter gegangen: Seit Juni 2019 erzeugt ein kleiner Forschungsreaktor auf dem Dach des Instituts Wasserstoff und Kohlenmonoxid, das dann zu Kerosin und Methan synthetisiert wird. Zeitgleich betreiben die Forscher im Rahmen des EU-geförderte Forschungsprojekt SUN-to-LIQUID, an dem auch das DLR beteiligt ist, eine größere Versuchsanlage in der Nähe der spanischen Hauptstadt Madrid.
Beide Anlagen funktionieren, und nach Berechnungen der Forscher könnten mit dieser Technologie auf einer Fläche von einem Quadratkilometer täglich immerhin 20.000 Liter Kerosin produzieren. Um einen Jumbo-Jet vollzutanken, bräuchte man damit allerdings fast elf Tage.
Dennoch ist SUN-to-LIQUID-Koordinator Andreas Sizmann vom Münchner Forschungsinstitut Bauhaus Luftfahrt überzeugt, dass hier eine echte Chance liegt, die Emissionen des Flugverkehrs deutlich zu senken: „Das Potenzial ist immens, weil es technisch keine Skalierungsgrenzen gibt und die Anlagen nicht mit landwirtschaftlichen Anbauflächen konkurrieren.“ Der Wasserbedarf sei nämlich so gering, dass er in Wüstenregionen gedeckt werden könne.
„Was uns fehlt“, schätzt Sizmann, „sind zehn Jahre Entwicklungszeit.“ Dann könnten die Kosten der beiden Schlüsseltechnologien – der Solarreaktoren und der CO2-Gewinnung aus der Luft – auf ein konkurrenzfähiges Niveau gesenkt worden sein.
Bei Synhelion, dem Unternehmen, das die Technologie der ETH Zürich vermarktet, hat man indes noch ganz andere Pläne: Gemeinsam mit dem mexikanischen Zement-Giganten CEMEX will Synhelion die erste CO2-neutrale Zementfabrik der Welt bauen. Dazu will Synhelion die CO2-Emissionen, die vor allem bei den chemischen Prozessen der Zementproduktion entstehen, einfangen und zu Flugbenzin oder einem anderen Treibstoff verarbeiten. Zudem soll die für die Zementherstellung benötigte Prozesswärme solarthermisch gewonnen werden, sodass die Fabrik am Ende der Umstellung keine Brennstoffe mehr benötigt. 2022 soll eine Pilotanlage in einem bestehenden CEMEX-Werk in Betrieb gehen.