Damit Windräder möglichst lange effizient und störungsfrei grünen Strom erzeugen, sind regelmäßige Inspektionen wichtig. Dabei wird überprüft, ob die gesamte Technik und Infrastruktur in einem guten Zustand sind. Das hilft, Wartungsarbeiten rechtzeitig zu planen und so teure Reparaturen und im schlimmsten Fall den Ausfall einer Anlage zu verhindern. In einigen Ländern – unter anderem in Deutschland – sind Inspektionen vorgeschrieben.
Doch gerade in Offshore-Windparks ist es gar nicht so einfach, alle Komponenten zu prüfen. Denn große Teile der Anlage befinden sich unter der Wasseroberfläche oder sind sogar im Meeresboden eingegraben. So sind 95 Prozent der Verkabelung nicht sichtbar. Und auch Fundamente, Übergangsstücke für Bootsanleger, Sonartransponder zur Warnung von U-Booten oder der sogenannte Kolkschutz, der verhindert, dass die Tragstruktur der Windräder aus- oder unterspült werden, sind nur schwer zugänglich.
Windparkbetreiber haben daher zunächst professionelle Taucher mit Unterwasser-Inspektionen beauftragt. Doch ihr Einsatz auf hoher See ist mit Risiken verbunden, aufwändig und teuer. Viele Unternehmen, darunter auch RWE, setzen daher nur in seltenen Ausnahmefällen auf diese Option. Stattdessen nutzen sie innovative Technologien, um Anlagen mit möglichst geringem Aufwand sorgfältig zu inspizieren.
Spezielle, mit Sensoren und Werkzeugen ausgestattete Tauchroboter sind besonders effizient. Denn sie können problemlos lange Zeit in großen Tiefen operieren und das selbst bei den widrigsten Bedingungen. Die Steuerung erfolgt bequem von einem Schiff aus: Sogenannte Remotely Operated Vehicles (ROV) senden dazu Live-Aufnahmen von ihrem Einsatz.
In Windparks in der deutschen Nord- und Ostsee kommt ein solches ROV bereits regelmäßig zum Einsatz. Anlässlich von routinemäßigen, vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie vorgeschriebenen Inspektionen überprüft zum Beispiel der Windparkbetreiber RWE damit den Zustand der Anlagen.
Bei einer solchen Operation kam 2019 das ROV „Seaeye Tiger“ zum Einsatz. Es ging zunächst im 385-Megawatt-Windpark Arkona, 35 Kilometer vor der Insel Rügen, auf Tauchstation. Wenige Tage später inspizierte es die unter der Wasseroberfläche liegenden Komponenten des 288-Megawatt-Windparks Amrumbank.
Die 15-köpfige Mannschaft des Windpark-Betreibers RWE, Experten der Deutschen Windtechnik, von O. S. Energy und Bluestream Offshore startete mit dem Forschungsschiff „Hydrograf“ von Sassnitz aus. Der „Seaeye Tiger“ wurde über eine feste Kabelverbindung von einem Operator an Bord des Schiffes gesteuert. Dieses Versorgungskabel kann bis zu 450 Meter lang sein und wird an eine elektrische Winde angeschlossen.
Über die Kamera konnten die Ein- und -austrittslöcher von Kabeln inspiziert werden. Eine solche Sichtprüfung ist stets der erste Schritt einer Unterwasser-Inspektion. Dabei lassen sich zum Beispiel oberflächliche Kratzer und Risse inner- und außerhalb des Fundaments und die Position der Kabelstränge erkennen.
Die hochspezialisierten ROV können außerdem eine Vielzahl an Messungen selbst durchführen. Sie können unter anderem die Dicke von marinem Bewuchs auf den Komponenten messen. Aber auch technische Test, zum Beispiel von Sonartranspondern, sind möglich.
Durch den Einsatz eines ROVs konnten wir eine sehr sichere und schnelle Unterwasser-Inspektion durchführen, die sonst sehr riskant gewesen wäre. Frank Scholtka, ehemaliger Betriebsleiter Arkona
Mit dem zunehmenden Ausbau der Offshore-Windkraft wächst auch der Bedarf an Unterwasser-Inspektionen. Der Dienstleister Deutsche Windtechnik (DWT) setzt deshalb immer stärker auf solche Cluster-Konzepte. Denn wenn mehrere Windparks auf einer Tour angefahren werden, lassen sich Aufwände und Kosten für die Betreiber reduzieren. Die Treibstoff-Einsparungen für die Schiffe entlasten darüber hinaus die Umwelt.
RWE beitreibt in der Nord- und Ostsee bereits mehrere Windparks – und in Zukunft werden weitere dazukommen. Das Cluster-Konzept eignet sich daher besonders gut für die Wartung und soll weiter ausgebaut werden. „In der Theorie könnten wir alle Windparks die künftig in der Nord- und Ostsee gebaut werden mit in das Cluster-Konzept einbinden“, sagt Mona Morgenstern, Offshore Wind Operations Engineer bei RWE Renewables.
Davon profitieren beide Projektpartner: „Die DWT bekommt volle Flexibilität in der Durchführung und einen großen und langfristigen Scope und somit Planungssicherheit – wir bekommen gute Vertragsbedingungen und können eine innovative Kampagnenplanung aufsetzen und Synergien schaffen. Außerdem bauen wir so eine gute und langfristige Partnerschaft auf, die besonders in diesen turbulenten Zeiten sehr wertvoll ist“, so Morgenstern.
Inzwischen nutzt RWE dazu das ROV „Cougar XT Compact“, das besonders für Operationen in starker Strömung geeignet ist. Bei aktuellen Inspektionen war die Crew mit dem Schiff „Fortuna Kingfisher“ unterwegs. 2023 wird erstmals der neue Windpark Kaskasi angesteuert.
Um das Schiff während der Inspektion eines Windrads in einer stabilen Position zu halten, setzt die Deutsche Windtechnik das so genannte Vessel Rope Positioning System ein. Dabei wirft das Schiff ein Seil aus, umkreist die zu prüfende Windkraftanlage, nimmt das Seil wieder auf und zieht die Schlinge fest. Das minimiert das Risiko von Kabelschäden, weil kein Anker in den Meeresboden hinabgelassen wird, und es ist für leichte Schiffe eine sichere Möglichkeit, die Position zu halten.
Die Technologie kommt übrigens nicht nur in Offshore-Windparks zum Einsatz. ROV werden auch zur Inspektion von Öl- und Gasplattformen oder zur Überprüfung von Unterwasser-Infrastrukturen wie Stromkabeln und Telekommunikationsleitungen genutzt. Der „Seaeye Tiger“ ist deshalb – wie andere ROV auch – mit einem auswechselbaren Werkzeugset für jeden Einsatz individuell konfigurierbar.
Doch was passiert, wenn bei einer Inspektion eine Schwachstelle identifiziert wird? Dann geht es meist noch nicht ganz ohne speziell geschulte Taucher – insbesondere, wenn Kabel betroffen sind. Und auch einige sehr kleinteilige oder empfindliche Bauteile und Verbindungen können bisher nur von Fachpersonal geprüft werden.
Die Technologie entwickelt sich jedoch stetig weiter. Aktuell werden zum Beispiel autarke Roboter entwickelt, die mit unbemannten (U-) Booten an ihren Einsatzort gelangen und dort eigenständig Prüfungen vornehmen können. Das norwegische Unternehmen Reach Subsea testet ein solches remote-System gerade und verspricht sich davon entscheidende Vorteile. So könnten etwa Kosten für Schiff und Treibstoff eingespart und die CO2-Emissionen weiter gesenkt werden.