Archaeen sind einzelligen Lebewesen ohne Zellkern, die auf der Erde an ungewöhnlichen Orten mit extremen Bedingungen existieren, wie zum Beispiel in sehr heißen Quellen (wie im US-Nationalpark Yellowstone). In einem innovativen Projekt in Österreich sollen die Mikroorganismen nun dazu beitragen, nachhaltiges Methan zu erzeugen.
© schame, Shutterstock
Seit Jahrmillionen wandeln Archaeen Wasserstoff und Kohlendioxid aus organischem Material in Methan um. Auf diese Weise haben die bakterienähnlichen Einzeller die Erdgas-Vorkommen dieser Welt geschaffen. „Stark vereinfacht gesagt spalten sie das CO2 auf und setzen es mit dem H2 neu zusammen: einerseits zu H2O, also Wasser, und anderseits zu CH4, also Methan“, erklärt Daniel Sidler vom Schweizer Projektpartner Energie360°.
In der ausgeförderten Erdgas-Lagerstätten in Pilsbach, zwischen Salzburg und Linz, kommen immer noch methanogene Archaeen vor. Dort wird ihre Fähigkeit, Methan zu erzeugen, seit einigen Jahren in dem Pilotprojekt „Underground Sun Conversion“ (USC) erforscht und genutzt, um CO2-neutrales Methan herzustellen: „Wenn wir die Mikroorganismen mit nachhaltig erzeugtem Wasserstoff und eingefangenem Kohlendioxid füttern, kann auch das so gewonnene Methan als klimaneutral gelten“, sagt Stephan Bauer, der das Projekt seitens der RAG Austria, Österreichs größtem Gasspeicherunternehmen, leitet.
In der bereits abgeschlossenen ersten Projektphase, habe man zeigen können, dass die Mikroorganismen die Methanisierung tatsächlich aufnehmen, sagt Bauer. In den Nachfolgeprojekten soll es nun darum gehen, aus den gewonnenen Erkenntnissen eine vermarktbare Dienstleistung zu machen.
Mit der USC zielt die RAG Austria darauf ab, CO2-neutrale, saisonale Energiespeicher anzubieten. Dasselbe Ziel verfolgt das Unternehmen mit dem Projekt „Underground Sun Storage 2030“ (USS 2030) in Gampern, rund zehn Kilometer entfernt von Pilsbach. Hier soll – ebenfalls in einer ausgeförderten Erdgas-Lagerstätte – grüner Wasserstoff gespeichert werden.
Saisonale Energiespeicher sind nötig, um die jahreszeitlichen Unwuchten zwischen Energieerzeugung und -nachfrage zu überbrücken, die sich hauptsächlich aus dem naturgemäß kleineren Angebot an nutzbarer Sonnenenergie und dem gesteigerten Heizbedarf im Winter ergeben. Im Sommer soll also mit überschüssigem Strom grüner Wasserstoff erzeugt werden, der dann im Winter Energie liefert.
Mit der USC soll der Wasserstoff weiter zu Methan umgesetzt werden. Als Speichermedium hat Methan den Vorteil, dass es einfacher zu transportieren ist als Wasserstoff. Damit eignet es sich auch besser als Brennstoff im Transportsektor. Der Nachteil gegenüber einer direkten H2-Nutzung ist, dass die Methanisierung einen weiteren Umwandlungsschritt erfordert, der wiederum Energie kostet.
Die dürfte bei der USC allerdings weniger ins Gewicht fallen, erklärt Daniel Sidler von Energie360°: „Durch die Druckverhältnisse und die Umgebungstemperatur in 1000 Metern Tiefe und die lange Verweilzeit der Gase ist keine weitere Energiezufuhr zur Methanisierung nötig. Zusätzliche Energie brauchen wir vor allem zum Pumpen der Gase, der Bedarf dürfte aber deutlich niedriger als bei anderen Verfahren liegen.“
Unter den richtigen Umständen arbeiten die Mikroorganismen also von ganz allein. „Allerdings“, erklärt Bauer von der RAG Austria, „tun sie das nur, wenn wir ihnen das richtige Verhältnis von Wasserstoff und Kohlendioxid anbieten. Wir müssen also das mikrobiologische Gleichgewicht möglichst konstant halten, damit die methanogenen Archaeen so aktiv wie möglich bleiben.“
Eine Herausforderung dabei ist genau der Jahreszeitenzyklus: Grüner Wasserstoff dürfte künftig vor allem im Sommer produziert werden. Kohlendioxid dagegen fällt eher im Winter an, wenn konventionelle Kraftwerke einspringen, um Versorgungslücken der Erneuerbaren zu füllen. „Es gilt also nun, ein kosteneffizientes Bewirtschaftungsmodell zu entwickeln“, sagt Bauer, „denn am Ende soll der Energiekreislauf, den wir anbieten nicht nur kohlendioxidneutral, sondern auch wirtschaftlich attraktiv sein.“
Künftig könnte der Kreislauf in Oberösterreich also so aussehen, dass grünes Methan aus der Lagerstätte in Pilsbach in Gaskraftwerken verbrannt wird und das dabei entstehende CO2 wieder eingefangen und zur erneuten Methanisierung zurück nach Pilsbach befördert wird. Zusammen mit Wasserstoff aus dem Speicher in Gampern wird daraus wieder Methan. Wenn ein solcher Kreislauf ohne Zufuhr von fossilen Brennstoffen auskommt, wäre er emissionsneutral.
Österreich würde seinen Klimazielen damit sicher ein Stück näherkommen. Beim Schweizer Projektpartner Energie360° will man aber herausfinden, ob sich das Verfahren auch für andere Orte auf der Welt eignet. Dafür sucht man bereits nach weiteren potenziellen Lagerstätten in der Schweiz, wenn auch nicht unbedingt, um sie für das Verfahren zu nutzen: „Dies dient primär zur Definition von replizierbaren geologischen Faktoren, die uns in die Lage versetzt, Lagerstätten unabhängig von politischen Grenzen zu definieren“, erklärt Projektleiter Sidler. Wie weit verbreitet potenziell geeignete Lagerstätten sind, kann Sidler noch nicht sagen: „Ein vorsichtiger Optimismus scheint aber angebracht.“