Eine Studie von Frontier Economics kommt zu dem Ergebnis, dass ein politisch beschleunigter Ausstieg aus der Kohle bis 2030 bis zu vier Milliarden Euro Mehrkosten pro Jahr verursacht. Dem Klima brächte das wenig bis gar nichts, da die CO2-Emissionen ins Ausland verlagert würden.
Hausaufgaben werden in der Regel aufgegeben, um Gelerntes zu vertiefen – und um gemacht zu werden. Bei den Klimazielen hat der Energiesektor bereits vorgelegt. Er wird seine Emissionen bis zum Jahr 2020 um rund 40 Prozent mindern. Und auch danach weiter senken. Andere Sektoren wie zum Beispiel private Haushalte, Verkehr oder Landwirtschaft sind dagegen noch nicht so weit und könnten einen größeren Beitrag leisten. Dennoch hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu beschleunigen.
Noch wird knapp die Hälfte des Stroms in Deutschland aus Kohle erzeugt (s. Infografik). Damit ist sie hauptverantwortlich für die Versorgungssicherheit – und für stabile Strompreise. Doch das wird sich ändern. Denn ein politisch forcierter Ausstieg aus der Kohle wird teuer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Beratungsunternehmens Frontier Economics im Auftrag von RWE. Die Leittragenden werden neben den privaten Stromkunden vor allem die energieintensiven Industrien sein. Nicht selten entscheidet hier die Entwicklung des Strompreises darüber, ob ein Unternehmen international noch wettbewerbsfähig ist oder nicht.
Laut Gutachten steigen die Strompreise bis 2040 um 25 Euro je Megawattstunde (MW). Das wären neun Euro mehr je MW im Vergleich zu einem Referenzszenario ohne politisch forcierten Ausstieg. Damit steigt der Strompreis nach Analyse der Experten um mehr als ein Drittel gegenüber heute. Für die Verbraucher hieße dies Mehrbelastungen bis 2030 von bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr gegenüber dem Referenzfall. Zwischen 2020 und 2040 summierten sich die Zusatzkosten auf rund 29 Milliarden Euro. Die Studie von Frontier Economics basiert auf dem Ausstiegsszenario „11 Eckpunkte für einen Kohlekonsens“ vom Thinktank „Agora Energiewende“ aus dem Jahr 2016. Frontier Economics hat die Strompreiseffekte bei einer Reduktion der Kohlekraftwerkskapazität von heute ca. 43 Gigawatt (GW) auf etwa 21 GW im Jahr 2030 analysiert.
Sind dann wenigstens positive Auswirkungen aufs Klima zu erwarten? Das ist mehr als fraglich. Ein Großteil des eingesparten Kohlestroms würde nach dem Ausstieg durch ausländische Kraftwerke oder inländische Kraftwerke mit höheren variablen Kosten produziert. Dies führe zwar zu geringeren inländischen CO2-Emissionen, die Reduktion werde jedoch durch einen Anstieg der Emissionen im Ausland größtenteils kompensiert. „Ein mandatierter nationaler Kohleausstieg ist für die CO2-Emissionen in Europa nahezu wirkungslos, da die freiwerdenden Emissionsrechte der deutschen Kraftwerke in anderen Ländern oder Sektoren verbraucht würden“, so die Autoren der Studie.
Eine Verlagerung der CO2-Emissionen ins Ausland käme allerdings auch nur zustande, wenn die europäischen Nachbarn weiterhin Strom nach Deutschland liefern. Derzeit helfen andere Länder aus, wenn es mit den Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland knapp wird. Doch einem Bericht des „Handelsblatt“ zufolge könnte die europäische Solidarität schon bald brüchig werden. Das Wirtschaftsmedium bezieht sich dabei auf eine Analyse des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), nach dem die derzeit noch vorhandenen Überkapazitäten an gesicherter Kraftwerksleistung in ganz Europa mittel- bis langfristig abnehmen.
„Alle EU-Staaten strebten den Ausbau erneuerbarer Energien an. In der Folge seien auch die europäischen Nachbarn dabei, ihre konventionellen, sicheren Kapazitäten zu reduzieren“, so BDEW-Geschäftsführer Stefan Kapferer im Handelsblatt. Dem Artikel zufolge wären die Chancen, dass eine Engpasssituation in Deutschland mit einem Überangebot an Erzeugungskapazitäten in den Nachbarländern einhergeht, als eher gering zu bewerten. Deutschland dürfe sich laut Kapferer bei einer Flaute von Wind- und Sonnenstrom nicht auf Stromimporte aus dem Ausland verlassen, sondern brauche für diese Fälle neue Erzeugungskapazitäten auf Basis von Gas.
Die Analysen von Frontier Economics zu Kosten und Klimabilanz finden Sie hier.
Zum Artikel im „Handelsblatt“ kommen Sie hier
Bildnachweise: Frontier Economics, Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)