Kraftwerk an der norwegischen Küste
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Warum Norwegen CO2 in der Nordsee lagert
Unternehmen beider Länder kooperieren bei Speicherung und gemeinsamer Wasserstoffwirtschaft

„Norwegen ist heute unser wichtigster Energielieferant und soll es auch auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft bleiben“, sagte der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck im Januar zu Gast in Oslo beim norwegischen Regierungschef Jonas Gahr Støre.

Was das skandinavische Land so attraktiv macht: Es ist – abgesehen von Russland – der größte Gasproduzent Europas, ein geopolitischer Partner, eine der stabilsten Demokratien der Welt – und: Carbon Capture and Storage (CCS), also die Speicherung von abgeschiedenem CO2, wird bereits seit 1996 praktiziert.

In Norwegen wird Kohlendioxid aus der Energiegewinnung oder industriellen Prozessen eingefangen, verflüssigt und dauerhaft im Boden unter der Nordsee gelagert. Das ist nicht die einzige, aber die derzeit wirtschaftlichste Möglichkeit, CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre zu halten. Deshalb ist sie das Mittel der Wahl, um Emissionen in Bereichen zu verhindern, in denen die Entstehung von Treibhausgasen nicht oder nur schwer zu vermeiden ist.

Wozu braucht man CCS?

Die Klimaneutralität gilt als unerreichbar, ohne CO2-Emissionen auf die eine oder andere Weise einzufangen, um es am Eindringen in die Atmosphäre zu hindern. Wird es dauerhaft eingelagert, spricht man von CCS, wird es weiter für chemische Prozesse genutzt von CCU (Carbon Capture and Usage). Für die Pariser Klimaziele ist es einigen Studien zufolge sogar nötig, der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen und mittels CCUS-Technologien aus ihr fernzuhalten.

In Deutschland sind diese Technologien jedoch umstritten. Vizekanzler Habeck gibt zwar die Devise aus: „Kohlendioxid im Boden ist allemal besser als in der Atmosphäre.“ Doch obwohl die Bedenken über Umweltrisiken abgenommen haben, ist CCS in Deutschland nicht zulässig. Deshalb soll deutsches Klimagas möglicherweise im norwegischen Meeresgrund eingelagert werden.

Dafür muss das Londoner Protokoll zum Meeresschutz geändert werde, doch das gilt als Formsache. Die Frage ist wohl eher, ab welchem CO2-Preis sich das für Unternehmen rechnet. Das europäische Emissionshandelssystem EU-ETS ist der maßgebliche wirtschaftliche Anreiz für Unternehmen zur Senkung von Treibhausgasemissionen.

Heidelberg Materials investiert in emissionsarme Zementproduktion

Letztlich unumgänglich wird CCS wohl für Prozesse sein, bei denen die Entstehung von Treibhausgasen inhärent ist. Bestes Beispiel dafür ist die Zementproduktion, bei der rund acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen anfallen. Das Kohlendioxid ist hier ein Produkt der chemischen Reaktion, bei der Zementklinker entsteht.

Dennoch bekennen sich auch Zementproduzenten zu den Pariser Klimazielen. Der deutsche Branchenprimus HeidelbergCement hat das Ziel ausgegeben, bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden. Dafür wird derzeit das Werk des Tochterunternehmens Norcem in Brevik an der norwegischen Südostküste mit einem CO2-Abscheider ausgestattet – nach Unternehmensangaben die weltweit erste industrielle CCS-Anlage in einem Zementwerk. Ab 2024 sollen damit jährlich 400.000 Tonnen CO2 aus den Abgasen der Produktion gefiltert und dauerhaft in der Nordsee eingelagert werden.

Equinor und RWE planen Wasserstoffwirtschaft aufzubauen

Doch Norwegen hat noch mehr zu bieten als CO2-Speicher. Im Rahmen der Delegationsreise von Minister Habeck stellten die Vorstandsvorsitzenden zweier Energieunternehmen wichtige Weichen zur Emissionsneutralität: Anders Opedal vom norwegischen Staatskonzern Equinor und Markus Krebber von RWE unterzeichneten in Oslo eine Absichtserklärung für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft beiderseits der Nordsee.

Das Memorandum sieht mehrere ineinandergreifende Kooperationsbereiche vor: Zum einen ist da der Bau mehrerer Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke in Deutschland. Mit einer Gesamtleistung von 3 Gigawatt (GW) sollen sie ab 2030 Versorgungslücken schließen, die durch einen temporären Mangel an Wind- und Solarstrom entstehen könnten. Der Clou: Die Kraftwerke sollen H2-ready sein. Sprich: Sie können sowohl Erdgas als auch Wasserstoff zur Energiegewinnung verwerten.

Erst Erdgas, dann blauer Wasserstoff, dann grüner

Zunächst sollen die Kraftwerke mit Erdgas befeuert werden und dann, mit steigendem Angebot, auf emissionsarmen Wasserstoff umgestellt werden. Zu Beginn wird das wohl sogenannter blauer Wasserstoff aus Norwegen sein. Der wird zwar aus Erdgas gewonnen, das dabei entstehende CO2 wird jedoch zu mehr als 95 Prozent per CCS aus der Atmosphäre ferngehalten. Entsprechende Produktionskapazitäten von 2 GW sollen bis 2030 in Norwegen aufgebaut werden, bis 2038 sollen bis zu 8 GW hinzukommen.

Für den Transport des sauberen Wasserstoffs aus Norwegen nach Deutschland prüft derzeit ein Konsortium um Equinor und den staatlichen Gasnetzbetreiber Gassco den Bau einer H2-Pipeline durch die Nordsee.

Nach und nach soll die Versorgung der Kraftwerke auf grünen Wasserstoff umgestellt werden. Das wasserkraftreiche Norwegen gilt als prädestinierter Standort für nachhaltig betriebene Elektrolyse.

Grüner Wasserstoff soll auch mit dem Projekt AquaSector erzeugt werden, das Equinor und RWE bereits begonnen haben. Es handelt sich um einen Offshore-Windpark mit 300 Megawatt (MW) installierter Leistung, der Elektrolyseure antreibt, die ebenfalls auf hoher See errichtet werden. Die Offshore-Elektrolyse verspricht nach Informationen des Dach-Projektes AquaVentus nicht nur erhebliche Zeit- und Kostenvorteile. Eine Wasserstoffleitung stelle auch eine deutlich geringere Belastung für das sensible Ökosystem Wattenmeer dar als Stromkabel mit der entsprechenden Kapazität.

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