Stahl ist ein unverzichtbarer Werkstoff für viele Industriezweige. Vor allem der Automobil- und Maschinenbausektor benötigen große Mengen davon. Mit einem Jahresumsatz von über 30 Milliarden Euro und mehr als 90.000 Arbeitsplätzen ist die Stahlbranche in Deutschland deshalb ein wichtiger Wirtschaftsmotor. Doch bei der energieintensiven Produktion der Eisen-Kohlenstoff-Legierung im Hochofen werden große Mengen Treibhausgas freigesetzt: Laut Bundeswirtschaftsministerium rund 30 Prozent der industriellen Emissionen Deutschlands.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Mit nachhaltigeren Prozessen lassen sich große Mengen CO2 einsparen. Wie der Weg hin zu einer emissionsfreien Stahlerzeugung aussehen kann, hat das Beratungsunternehmen Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH (LBST) im Auftrag des Deutschen Wasserstoff und Brennstoffzellen-Verbands (DWV) untersucht. Die Experten skizzieren in einer umfassenden Metastudie, wie die dazu notwendige Transformation der Branche aussehen könnte.
LBST und DWV kommen zu dem Ergebnis, dass der CO2-Ausstoß bis 2050 um mehr als 95 Prozent sinken könnte. Eine Umstellung auf das Direktreduktionsverfahren und der Einsatz von Wasserstoff (H2) mache das möglich. Das spezielle Verfahren läuft nicht im Hochofen ab und ist energieeffizienter, denn es benötigt keine Temperaturen über 1.000 Grad Celsius. Die Reduktionsgase werden nicht erst aufwendig aus Koks gewonnen, sondern direkt in den Schachtofen gegeben. Die dabei gewonnenen Eisenschwämme werden anschließend geschmolzen und in Rohstahl verwandelt.
Zunächst wird dabei vor allem Erdgas zum Einsatz kommen. Bereits 2030 könnten die ersten Anlagen entsprechend umgestellt werden. Laut Studie lassen sich mit dem Verfahren bereits bis zu 60 Prozent der Treibhausgasemissionen vermeiden.
Später kann das Erdgas dann durch Wasserstoff ersetzt werden – sobald der Energieträger in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht. Wird grüner Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien genutzt, spart das noch einmal 25 Kilogramm (kg) CO2 pro kg H2. Bei einem Wasserstoffbedarf von 70 kg pro Tonne Stahl wäre das ein großes Einsparpotenzial.
Die Stahlindustrie würde dadurch zu einem der größten Abnehmer von Wasserstoff. Laut der Analyse könnte die Nachfrage in Deutschland 2030 bereits bei 34 Terawattstunden pro Jahr (TWh/a) liegen. Für das Jahr 2050 kalkulieren die Experten mit 70 bis 100 TWh/a – das wären bis zu 40 Prozent der erwarteten Gesamtnachfrage.
Effizientere Anlagen und ein höherer Anteil von Sekundärstahl, also recyceltem Stahlschrott, könnten mittelfristig ebenfalls zum Tragen kommen. Die Stahlbranche könnte so nicht nur ihre eigenen Emissionen fast komplett auf null senken, sondern auch einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten und dazu beitragen, den CO2-Fußabdruck nachgelagerter Industriezweige zu verkleinern.