Europa benötigt in Zukunft große Mengen grünen Wasserstoffs, darüber sind Experten sich einig. Denn Wasserstoff ist ein wichtiger Energiespeicher, der emissionsfrei be- und entladbar ist und damit nach und nach fossile Brennstoffe ablösen kann. In Deutschland ist das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) führend beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft – nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Mobilität und Forschung. Eine umfassende Förderung soll diese Position stärken und das Land nun zu einem regelrechten Wasserstoff-Zentrum entwickeln. Dafür wollen die Landesregierung und der Bund gleich mehrere vielversprechende Wasserstoff-Initiativen im ganzen Bundesland unterstützen.
Viele europäische Länder haben bereits Wasserstoff-Strategien vorgestellt und die EU hebt die Bedeutung des Brennstoffs mit Blick auf die Pariser Klimaziele und Klimaneutralität bis zum Jahre 2050 besonders hervor. Um die ambitionierten Wasserstoffziele zu erreichen, müssen nicht nur entsprechende Projekte vor Ort gefördert werden, sondern insbesondere auch die Infrastruktur für die Speicherung und den Transport geschaffen werden. NRW bietet dafür optimale Voraussetzungen.
Das Ruhrgebiet zählt zu den größten Ballungsräumen Europas. Die Region ist historisch von der Industrie und dem Kohleabbau geprägt. Doch das Ruhrgebiet unterzieht sich einem Strukturwandel. Ein Bereich, in dem sich in diesem Zusammenhang viel getan hat, ist Wasserstoff: In den vergangenen fünf Jahren siedelten sich nicht nur besonders viele Wasserstoff-Startups innerhalb von NRW im Ruhrgebiet an, auch einige Städte setzen schon auf eine grüne Industrie mit H2: So gibt es zum Beispiel in der selbsternannten „Wasserstoffstadt“ Herten ein großes Anwenderzentrum für Wasserstoff, in Essen gründete sich ein H2-Hub für Startups, Unternehmen und Forschung und Dortmund verfügt bereits über mehrere Wasserstoff-Tankstellen.
Jetzt nimmt die grüne Transformation an Rhein und Ruhr weiter Fahrt auf: Im Rahmen eines Partnerprojektes soll das Ruhrgebiet zu einer Wasserstoffmodellregion werden. Acht führende Unternehmen und Institutionen, darunter auch RWE, entwickeln dafür gemeinsam einen sektorenübergreifenden Bebauungsplan für eine Wasserstoffinfrastruktur und -produktion in der Region. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützt das Projekt zusätzlich mit einer Konzeptstudie.
Ziel der Initiative ist es, das Ruhrgebiet zu einem zentralen Industrie-, Wohn- und Lebensraum mit CO2-freiem Wasserstoff innerhalb Deutschlands zu machen. Damit wollen die Verantwortlichen Maßstäbe für den Ausbau der Wirtschaft mit der Technologie in ähnlichen industriellen Ballungsgebieten auf der ganzen Welt setzen. Im Zuge des Projektes möchten sie verschiedene Pilotprojekte für eine nachhaltige Wasserstoffversorgung auf den Weg bringen. Das ambitionierte Ziel: Bis 2030 sollen bereits 50 Prozent des für die Versorgung der Region benötigten Wasserstoffs für die Nutzung verfügbar gemacht werden.
Im Rahmen des Projekts will das Konsortium zunächst den sektorübergreifenden Bedarf ermitteln, um im Anschluss den erforderlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien oder den benötigten Umfang von Importen abzuleiten. Auf Basis dieser Daten wollen die Projektpartner eine Roadmap erstellen und so zukünftige Investitionen besser aufeinander abstimmen.
Auch die Region Düssel-Rhein-Wupper, zu der das Rheinische Braunkohlerevier gehört, unterzieht sich einem Wandel. Wo der Kohleabbau gerade dem Ende entgegengeht, soll zukünftig der grüne Brennstoff im Fokus stehen. Unter der Leitung des Forschungszentrum Jülich entsteht im Rheinischen Revier ein Helmholtz-Cluster für nachhaltige und infrastrukturkompatible Wasserstoffwirtschaft, kurz „HC-H2“. Die Experten planen hier zukünftig innovative Technologien für die Produktion, Logistik und Nutzung von grünem Wasserstoff zu erforschen. In einem Teilprojekt errichten die Verantwortlichen außerdem ein H2-Innovationszentrum im Brainergy Park in Jülich.
Das Bundesforschungsministerium fördert das Leuchtturmprojekt über einen Zeitraum von 17 Jahren mit rund 860 Millionen Euro und auch das Land NRW wird Fördermittel bereitstellen. Die hohe Summe soll vor allem einen starken Impuls für die Entwicklung des Rheinischen Reviers geben und den Strukturwandel der Region vorantreiben.
Der Fokus des Clusters liegt im Transfer von Wissen in die praktische Anwendung, denn genau das ist nötig, um Wasserstoff für den breiten Markt verfügbar zu machen. Im Rahmen des Projekts plant das Forschungszentrum Jülich deshalb, in der gesamten Region Demonstrationsprojekte und -anlagen für neue Technologien in praxisnahen Anwendungsszenarien aufzubauen. Diese sollen eine neue Wertschöpfung innerhalb der Region ermöglichen und das Rheinische Revier zu einem attraktiven Standort für innovative Energieunternehmen und Industrien machen.
Die Forschungen des geplanten Instituts für Nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) im Rahmen des H2-Innovationszentrums werden sich auf Technologien zur Speicherung und den Transport von Wasserstoff konzentrieren. Die Forscher möchten dazu insbesondere auf bereits existierende oder einfach installierbare Infrastrukturen zurückgreifen, zum Beispiel auf die Umrüstung des bestehenden Erdgasnetzes. Außerdem wollen die Experten die LOHC-Technologie („Liquid Organic Hydrogen Carrier“) optimieren. Dabei kann Wasserstoff an organische Flüssigkeiten gebunden werden und dadurch einfacher in Tankschiffen oder Lastern transportiert werden.
Ein weiterer Standort mitten im Ruhrgebiet, an dem Wasserstoff zukünftig im Fokus stehen wird, ist die Stadt Duisburg. Im Stadtteil Hüttenheim baut das Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft ein Innovations- und Technologiezentrum Wasserstoff (ITZ). Die Landesregierung hat dem Projekt bis 2025 eine Förderung in Höhe von insgesamt 51,6 Millionen Euro zugesagt. Denn wenn künftig Laster, Schiffe und Züge mit dem nachhaltigen Brennstoff angetrieben werden sollen, ist es wichtig, diese Zukunftsmärkte in Deutschland schnell zu erschließen. Für dieses Vorhaben ist NRW als Standort besonders gut geeignet: Rund ein Drittel der deutschen Zulieferindustrie für die Automobilbranche ist in der Region angesiedelt.
Weitere Wasserstoff-Innovationszentren entstehen außerdem an den Standorten Chemnitz, Pfeffenhausen im Kreis Landshut sowie einem Verbund der drei norddeutschen Städte Bremen/Bremerhaven, Hamburg und Stade.