In einer der vielen Welten, die Science-Fiction-Autor Ian M. Banks in seiner „Culture“-Reihe entwirft, treibt die Menschheit auf riesigen Schiffen auf einer gigantischen Meereswelt umher, angetrieben von Stromblitzen, die von schwimmenden Offshore-Windturbinen abgefeuert werden. Was so futuristisch klingt, ist inzwischen grundsätzlich möglich. Allerdings funktioniert die kabellose Stromübertragung nur über kurze Distanzen und ist noch weit von einer kommerziellen Anwendung entfernt. Elemente von Banks Vision tauchen dennoch in Entwürfen zu Pilotprojekten auf. Diese zeigen, wie Technologien aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien eine nachhaltige Entwicklung in anderen Wirtschaftssektoren ermöglichen können.
Die Schifffahrt ist für 2,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen (THG) verantwortlich, so die dritte THG-Studie (auf Englisch) der International Maritime Organisation. Allerdings sind Schiffe aufgrund der Größe der benötigten Batterien und der langen Strecken, die ohne Auflademöglichkeit zurückgelegt werden, nur schwer zu elektrifizieren. Doch mit Offshore-Windparks gibt es jetzt Stromquellen auf See, die zum Aufladen von Schiffen genutzt werden könnten.
In Großbritannien hat ein Konsortium aus Unternehmen im Bereich Erneuerbare Energien und Schifffahrt die Möglichkeit eines permanenten Offshore-Ladeschiffs untersucht – ein Projekt, das vom Sustainable Innovation Fund der britischen Regierung gefördert wurde. Außerdem haben dänische Offshore-Windkraftentwickler im vergangenen Jahr ein ähnliches Konzept (auf Englisch) vorgestellt. Dabei wird eine Boje sowohl als Liegeplatz als auch als Ladestation genutzt. Die Projektentwickler hoffen, noch in diesem Jahr einen Prototyp einsetzen zu können.
Diese Idee stehen in Zusammenhang mit neuen Entwicklungen in der Schifffahrt. Das betrifft insbesondere die Schiffe, die für den Bau von Offshore-Windparks eingesetzt werden. Solche Bauschiffe, zum Beispiel das 5.000-Tonnen-Kranschiff „Les Alizes“, sind Elektro-Hybride. Dabei werden die Dieselgeneratoren mit einer Batterie ergänzt. Das bringt Vorteile: So reagieren Batterien viel besser auf starke Laständerungen und erhöhen dadurch die Betriebseffizienz – was wiederum den Kraftstoffverbrauch deutlich senkt. Darüber hinaus kann Strom aus dem Kranbetrieb zurückgewonnen werden, um die Batterie wieder aufzuladen – ähnlich wie beim regenerativen Bremsen in Hybrid-Elektroautos.
Allerdings wird die Batterie auf See bisher durch Dieselmotoren wieder aufgeladen. Ein permanentes Offshore-Ladeschiff oder eine Auflade- und Verankerungsboje würden eine sauberere Aufladeoption bieten. Diese könnten zum Beispiel voll-elektrifizierte Transport- oder Wartungsschiffe versorgen. Der Einsatz von Elektrofähren in Norwegen (auf Englisch) zeigt bereits, dass die Elektrifizierung für Schiffe mit geplanten Routen zwischen zwei Punkten möglich ist, wenn es an beiden Enden Aufladekapazitäten gibt. Die erste dieser Fähren, „Ampere“, wurde 2015 in Betrieb genommen und überquert heute 34-mal am Tag den Sognefjord.
Die Versorgung von Schiffen mit sauberem Strom bringt noch weitere Vorteile mit sich. Die EU hat über ihre Connecting Europe Facility die Installation von Power-to-Ship-Anlagen an Land in großen Häfen unterstützt. Dabei werden Schiffe im Hafen über Kabel mit Landstrom versorgt. Anstatt ihre Dieselmotoren laufen zu lassen nutzen sie den Strom für den Betrieb von Heizung, Kühlung, Beleuchtung und andere Aktivitäten. Das reduziert Treibhausgasemissionen und verbessert die Luftqualität im Hafen. Die Entwicklung von Offshore-Anlege- und Aufladebojen sowie permanenten Offshore-Ladeschiffen könnte dieses Konzept in den Häfen ergänzen, sodass die Schiffe auf Strom zugreifen könnten, ohne Platz an der Kaikante zu beanspruchen. Außerdem könnten sie Offshore-Ladepunkte als Zwischenstationen für längere Fahrten nutzen.
Während Stromübertragung mittels Blitzen weiter wohl Science-Fiction bleibt, ist Plug-in-Offshore-Energie möglich. Und obwohl die Forschung, wie die Schifffahrt grundlegend dekarbonisiert werden kann, noch in den Kinderschuhen steckt, könnten einige Elemente von Banks futuristischer Vision tatsächlich Realität werden.