Erneuerbare Energien stehen nicht nur in direktem Zusammenhang mit dem Rückgang von Treibhausgasemissionen – sie haben auch noch viel weitreichendere positive Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Zu diesem Schluss kommt ein aktueller Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) (auf Englisch). Regenerative Energiequellen wie Wind und Sonne benötigen keine fossilen Brennstoffe. Dadurch verbrennen sie auch nicht die darin enthaltenen Schadstoffe wie zum Beispiel Kohlenstoffdioxid – ein essentieller Vorteil für Atmosphäre und Umwelt und gleichzeitig ein Argument für die Nutzung von Erneuerbaren.
Zur Veranschaulichung eignet sich das „einfachste“ Molekül: H2. Wird molekularer Wasserstoff verbrannt, entsteht Wasser (H2O) als Nebenprodukt – H2 und O2 reagieren dabei in der Luft miteinander. Da bei diesem chemischen Prozess keinerlei Schwefel vorhanden ist, entstehen bei der Verbrennung von Wasserstoff keine Schwefeloxide (SOx). Aufgrund der hohen Brenngeschwindigkeit von Wasserstoff erzeugt dieser Vorgang jedoch trotzdem thermische Stickoxide (NOx). Anders verhält es sich bei der Herstellung von Erdgas (CH4). Eine Stufe höher in der molekularen Komplexität liegen beispielsweise Öl und Kohle – bei der Gewinnung dieser fossilen Energieträger steigen die CO2– und NOx-Emissionen aufgrund des höheren Kohlenstoffgehalts beträchtlich. Die zuvor bereits genannten Kohlenwasserstoffe enthalten Stickstoff, so dass sie sowohl Treibstoff-NOx als auch thermisches NOx erzeugen. Sie enthalten zusätzlich auch Schwefel – also gleichzusetzen mit SOx-Emissionen – sowie erhöhte Partikelemissionen als direkte Folge davon, dass statt Gasen Feststoffe und Flüssigkeiten verbrannt werden.
Laut EEA haben alle Emissionen aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen – also auch NOx-, SOx– und Partikelemissionen – direkte Auswirkungen und Folgen für Umwelt und Natur. Die aktuelle Studie der Agentur hat daher analysiert, wie sich die Anwendung Erneuerbarer Energien auf verschiedene Umweltschutzmaßnahmen jenseits der Treibhausgasemissionen im Zeitraum von 2005 bis 2018 ausgewirkt hat. Die Studie weist eingangs darauf hin, dass der Energiemix der gesamten Europäischen Union noch immer von der Stromerzeugung auf Basis konventioneller Energieträger dominiert wird und der Stromsektor daher weiterhin eine bedeutende Quelle für Eutrophierung, Feinstaubbildung, Versauerung, Süßwasserökotoxizität und Landnutzung bleibt.
Bei der sogenannten Eutrophierung, auch bekannt als Überdüngung, können mit dem Abwasser und mit Abschwemmungen landwirtschaftlicher Flächen große Mengen an Phosphaten und Nitraten in Gewässer gelangen und das Wachstum von Wasserpflanzen beschleunigen. Wenn Bäche, Flüsse und Seen mit Nährstoffen sowie Phosphor- und Stickstoffverbindungen überlastet werden, spricht man von Eutrophierung. Während die Pflanzen wachsen, werden wichtige Nährstoffe verbraucht und das Gewässer (oder Ökosystem) kollabiert. Der EEA-Report zeigt auf, dass der Einsatz Erneuerbaren Energien reduzieren und die damit einhergehende Reduktion der allgemeinen Phosphorbelastung dazu beitragen kann, diesen Effekt zu verringern.
Ein weiterer schädlicher Nebeneffekt der Nutzung fossiler Brennstoffe ist die sogenannte „Bodenversauerung“. Auch hier stellt die EEA einen erheblichen Rückgang dieses negativen Trends fest, wenn vermehrt auf Erneuerbare gesetzt wird. Letzteres führt laut EEA auch zu einer deutlichen Entlastung bei der Feinstaubbildung. Beim Verbrennen fossiler Energieträger wird Feinstaub, also sehr kleine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als zehn Mikrometern, in die Luft freigesetzt und gelangen so vermehrt in die Lungen von Menschen und Tieren. Mit schwerwiegenden Folgen: Feinstaubbelastung wird auch mit einer Reihe von Herz- und Lungenerkrankungen in Verbindung gebracht.
Doch auch der voranschreitende Erneuerbaren-Ausbau ist laut Bericht nicht ausnahmslos positiv zu bewerten: So rechnet die Agentur den Erneuerbaren Energien einen größeren Rohstoffverbrauch, zum Beispiel bei Metall und Mineralien, pro erzeugter Stromeinheit zu als bei fossilen Brennstoffen. Auch die Produktion von Windrädern und Solarmodulen hat also Auswirkungen auf Natur und Umwelt.
So stellt die EEA beispielsweise fest, dass die Süßwasser-Ökotoxizität zwischen 2005 und 2018 gestiegen ist. Dies wird vor allem auf die verschiedenen Vorgänge im Bergbau zurückgeführt, die für die Herstellung der in Solarmodulen verwendeten Metalle und Mineralien erforderlich sind. Auch die Produktion von Chlor und die Reinigung von Solarsilizium, Letzteres ist essentiell für die Nutzung von Photovoltaikanwendungen, tragen erheblich dazu bei. In Zusammenhang mit dem Ausbau von Solarparks und einer zunehmenden Nutzung von Biomasse attestiert der Report zudem einen erhöhten Verbrauch von immer größeren Landflächen. Um die EU-Klimaziele zu erreichen, müssen all diese Aspekte laut der Europäischen Umweltagentur thematisiert werden. Denn: Eines der wichtigsten Ziele ist es, den Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in der EU bis 2050 auf über 80 Prozent zu erhöhen.
Zweifelsohne folgt diese Argumentation einem geschlossenen Kreislauf: Die Produktion von Solarmodulen benötigt Strom und Wärme. Wenn Letztere aus regenerativen Energiequellen erzeugt würde, wäre die gesamte durch Solarmodule verursachte Umweltbelastung deutlich geringer. Ein erhöhter Einsatz von Erneuerbaren würde es auch nur schwer zu dekarbonisierenden Wirtschaftssektoren wie dem Bergbau ermöglichen, die Treibhausgasemissionen durch Elektrifizierung erheblich zu reduzieren. Dies hätte schlussendlich zur Folge, dass auch die CO2-Bilanz der Erneuerbaren-Infrastruktur besser ausfiele.
Neue Technologien wie effizientere Solarzellen, die weniger Material verbrauchen, würden auch die Umweltbelastung der entsprechenden Lieferketten reduzieren. Solche Technologien werden heute bereits entwickelt – beispielsweise sogenannte „Tandem-Perowskit-Solarzellen“. Und: Ein erhöhtes Volumen an recycelten Materialien würde die Rohstoffnachfrage für die Produktion schon im ersten Schritt erheblich senken. Ähnlich könnte auch der Weg zu einem umweltfreundlicheren Prozess bei der Biomasse aussehen: Verringerte Flächennutzung und modernere Technologien wären laut Bericht hierbei sinnvolle Optionen zur weiteren Förderung des Emissionsrückgangs.
Die EEA zieht anhand des Berichts ein klares Fazit: Der Erneuerbaren-Ausbau hat zahlreiche Vorteile und trägt insgesamt zu einer grüneren und nachhaltigeren Welt bei – sogar dann, wenn man das Hauptargument, den Rückgang der Treibhausgasemissionen, außer Acht lässt.
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