Künstliche Intelligenz (KI) gilt als technologischer Megatrend. Doch was macht KI eigentlich aus? Klar ist, dass künstliche Intelligenz über die reine Datenverarbeitung hinausgeht. Künstliche Intelligenz führt nicht nur vorgegebene Prozesse zuverlässig aus. Sie kann beispielsweise in vorhandenen Datensätzen wiederkehrende Muster erkennen und anhand dessen Prognosen für die Zukunft abgeben, Lösungsvorschläge unterbreiten oder erlernte Muster in anderen Kontexten wiedererkennen und verarbeiten.
Zwei Beispiele: Heutige Spracherkennungsprogramme erfassen phonetische Muster, auch wenn die Eingabe undeutlich oder durch Nebengeräusche gestört ist. Übersetzungsprogramme untersuchen mittlerweile den Kontext und erkennen darüber beispielsweise, welche Bedeutung eines Wortes gemeint ist – wann etwa mit dem „Netz“, das Stromnetz (englisch: grid), das Internet (web) oder der Basketballkorb (net) gemeint ist.
Eine besondere Rolle spielt KI auch im Energiesystem – so eine Einschätzung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): „Bereits heute kann KI in der Energiewirtschaft dafür eingesetzt werden, um die Effizienz zu verbessern, Kunden besser zu bedienen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und Arbeitsprozesse zu verändern“, schreibt Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung, im Editorial der Publikation „Künstliche Intelligenz für die Energiewirtschaft“, die der BDEW mit Unterstützung der deutschen „Initiative for applied ArtificiaI Intelligence“ herausgegeben hat.
Beschrieben werden darin nicht nur verschiedene Handlungsfelder von KI in der Energiewirtschaft. Die Autoren erklären auch, wie man Potenziale erkennt, Bedarfe analysiert und potenzielle Anwendungsfälle betriebswirtschaftlich bewertet. Denn davon ist man beim BDEW überzeugt: „Der Einsatz von KI trägt nicht nur zum Gelingen der Energiewende bei, sondern macht auch betriebswirtschaftlich Sinn.“
Greifbar wird die Theorie durch existierende Anwendungsbeispiele. So nutzt beispielsweise die IT-Unternehmensberatung BTC KI, um Kundendaten zu analysieren und künftiges Kundenverhalten abzusehen: „Beispielsweise ist es mit einem geeigneten Modell möglich, die Kündigungsaffinität einzuschätzen und gegebenenfalls proaktive Maßnahmen zu ergreifen“, heißt es in dem Praxisbeispiel.
Dass KI in der Energiewirtschaft bereits eingesetzt wird, heißt allerdings nicht, dass das Potenzial bereits gehoben wäre. In einem Workshop haben 20 Teilnehmer aus 18 Branchenunternehmen fast 70 mögliche Anwendungsfälle herausgearbeitet und auf die drei Kriterien Potenzial, Komplexität und Spezifität untersucht.
Ein niedrige Sektorspezifität etwa kann bedeuten, dass bereits Lösungen in anderen Branchen entwickelt wurden, die sich recht einfach und preiswert anpassen lassen. Eine hohe Unternehmensspezifität deutet darauf hin, dass hier hohe Entwicklungskosten, aber – in Kombination mit einem hohen Potenzial – auch ein entsprechender Wettbewerbsvorteil in Aussicht steht.
Aus der Fülle von Anwendungsmöglichkeiten leiten die Autoren ein besonderes Verhältnis von Energiesektor und KI ab: Künstliche Intelligenz könne den Energiesektor effizienter und sicherer machen, der Energiesektor ist aber gleichzeitig ein breites Anwendungsfeld für KI-Lösungen, auf dem Zukunftstechnologien wachsen und ihr Potenzial – auch für andere Branchen – entfalten können.
Damit die Energiewirtschaft zu einem Leitsektor für „AI Made in Europe“ werden kann, müsse die Politik einen innovationsfreundlichen Rahmen schaffen, in dem klare Rechtsnormen ohne neue regulatorische Hürden gelten. Förderangebote und die Einrichtung eines Exzellenzclusters für KI im Energiesektor sollen nach Vorstellungen des BDEW die Energiewende vorantreiben und gleichzeitig verhindern, dass die KI-Branche in Europa den Anschluss zur globalen Konkurrenz aus den USA und China verliert.
Die gesamte Studie „Künstliche Intelligenz für die Energiewirtschaft“ liegt hier zum Download bereit.
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