Der Ausbau der Solarenergie ist ein entscheidender Baustein für eine erfolgreiche Energiewende. Allein in Deutschland sollen bis 2030 jedes Jahr Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von 22 Gigawatt (GW) ans Netz gehen, so die Zielvorgabe der Bundesregierung. Doch die Anlagen benötigen oft viel Platz – und der ist gerade in Ballungsgebieten rar. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) untersuchen deshalb, wie sich die Effizienz von Solaranlagen durch den Einsatz innovativer Technologien und Künstlicher Intelligenz (KI) steigern lässt.
„Im Rahmen des Projekts ‚Solarpark 2.0‘ möchten wir herausfinden, wie unterschiedliche Leistungsoptimierer große PV-Anlagen effizienter machen können“, fasst Marcus Becker, Forscher am Elektrotechnischen Institut (ETI) des KIT und Mitglied des Projektteams, das Vorhaben zusammen.
Der en:former hat bereits über verschiedene Ansätze berichtet, mit denen Solarparks effizienter genutzt und der Flächenverbrauch gesenkt werden können. Die Agri-PV zum Beispiel ermöglicht eine Doppelnutzung für Solarenergiegewinnung und Landwirtschaft. Mit der Floating-Technologie können Gewässer für PV erschlossen werden.
Außerdem versprechen neue Materialien wie Perowskit Effizienzgewinne. In Solarparks, in denen Verschmutzungen den Ertrag mindern – beispielsweise in Wüstenregionen –, könnten innovative Lösungen wie Reinigungsroboter oder -drohnen Abhilfe schaffen.
Sogenannte Leistungsoptimierer kommen bereits heute in vielen Solarparks zum Einsatz. Sie stellen den Arbeitspunkt der Anlage so ein, dass diese die maximale Leistung generieren kann. Man spricht dabei vom Maximum Power Point (MPP). Der MPP ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig, welche die Einstrahlung durch die Sonne beeinflussen, also zum Beispiel Tages- und Jahreszeit, Wetter, Verschattung oder Verschmutzung. Diese Einflüsse ändern sich durchgängig. Deshalb müssen die Leistungsoptimierer kontinuierlich den MPP suchen und Spannung und Strom so regeln, dass die Anlage die maximale elektrische Leistung abgibt. Dazu nutzen sie Algorithmen.
Aktuell wird oft nur ein MPP-Tracker im zentralen Wechselrichter eingesetzt. Gerade in großen Anlagen wirken aber zeitweise unterschiedliche Faktoren auf die Module. So könnte zum Beispiel nur ein Teil des Parks von einer Wolke verschattet sein. Dann kommt das MPP-Tracking über einen einzelnen Leistungsoptimierer an seine Grenzen: „Jedes Solarmodul hat einen individuellen MPP. In unserem Projekt wollen wir daher MPP-Tracker in Strings, in denen mehrere Module zusammengefasst sind, und sogar in einzelne Solarmodule einsetzen. Wir gehen davon aus, dass wir mit einem möglichst kleinteiligen Tracking – und einer entsprechenden Optimierung – höhere Erträge erreichen können,“ so Becker.
Eine Freiflächenphotovoltaik-Anlage besteht aus vielen einzelnen Solarmodulen. Diese werden über Kabel zu Strängen, sogenannten Strings, zusammengefasst. Die Strings werden wiederum mit einem Generatoranschlusskasten (GAK) verbunden, der den Strom aus den verschiedenen Kabeln in einer Gleichstromhauptleitung bündelt. Über einen Wechselrichter wird der Gleichstrom dann in Wechselstrom umgewandelt, der ins Netz eingespeist werden kann.
In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekt soll dazu eine neue, am KIT entwickelte Schaltung zum Einsatz kommen, die HiLEM-Schaltung (Abkürzung für High Efficiency Low Effort MPP-Tracker). Sie soll die GAK ersetzen, die bisher zur Parallelschaltung von PV-Strings genutzt werden. Dadurch wird es möglich sein, jeden einzelnen String vor einem Zentralwechselrichter in seinem individuellen MPP zu betreiben. Durch die Projektpartner Hochschule Karlsruhe sowie den Unternehmen BRC-Solar und PREMA werden außerdem Leistungsoptimierer für den Einbau in die Solarmodule entwickelt, um MPP-Tracking bis auf Substring-Ebene betreiben zu können.
Im Rahmen des im Juli 2022 gestarteten Projekts sollen die Technologien einem Praxistest unterzogen werden. Nach Abschluss der Hardwareentwicklung soll dazu im Laufe des Jahres 2023 ein Feldtest vorbereitet werden. Auf dem Gelände des Energy Lab 2.0 am KIT werden dazu zwei Testanlagen mit jeweils 30 Kilowatt-Peak (kWp) aufgebaut. In einer werden die HiLEM-Schaltung und die mit Optimierern ausgestatteten Solarmodule eingesetzt, die andere dient als Referenz.
So wollen die Forscher unter anderem herausfinden, welche Effizienzverbesserungen sich durch die Leistungsoptimierung auf String- und Modulebene erreichen lassen und welche Technologien sich hierfür am besten eignen.
Doch sie setzen nicht nur auf Hardwarelösungen. „Mit den Daten, die wir bei den Feldversuchen sammeln, wollen wir zusätzlich eine KI entwickeln, die in der Lage ist, Leistungsprognosen für PV-Anlagen zu erstellen“, sagt Tim Kappler, Forscher am ETI und Experte für Systemsteuerung und -analyse.
Anhand dieser Analyse sollen dann Empfehlungen abgegeben werden, wo in der Anlage sich die Effizienz durch Leistungsoptimierer steigern lässt. Damit sie darüber zuverlässige Aussagen treffen kann, muss sie lernen, verschiedene Situationen richtig einzuschätzen. Dafür benötigt sie einen möglichst großen Datensatz. „Mit der Leistungsprognose der KI muss zum Beispiel unterschieden werden können, ob bei einem Modul eine Verschattung, eine Verschmutzung oder ein Defekt vorliegt. Wir werden solche Situationen in der Versuchsanlage nachbilden und mit den Daten einen Algorithmus trainieren“, erklärt Tim Kappler. Für die Datenerhebung nutzen die KIT-Forscher ein innovatives Sensornetzwerk, das vom Institut für Photovoltaik (ipv) der Universität Stuttgart entwickelt wurde.
Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre ausgelegt. In dem Zeitraum soll neben der Hardwareentwicklung und den Feldtests auch die KI-Software programmiert und trainiert werden. Die Erkenntnisse sollen dann auf möglichst viele Anlagen anwendbar sein und damit innovative großskalige „Solarparks 2.0“ ermöglichen.